Die Macht der Angst (German Edition)
nur daran dachte.
Ava blockte diese gefühlsmäßige Erinnerung automatisch ab, um wieder funktionieren zu können. »Die McClouds sind Freaks. Edie wird anders sein. Sie ist weiblich, künstlerisch begabt, kreativ. Schüchtern, mit einer introvertierten Persönlichkeit. Dank ihres Vaters vermutlich sogar ein emotionales Wrack, was unseren Zwecken absolut zupass käme. Sie wird ein braves kleines Mädchen sein und mir bestimmt nicht die Kehle durchschneiden.«
Desmonds blaue Augen wurden schmal. »Was wird das hier? Gerade noch wolltest du sie töten, und jetzt willst du ihr die Sklavenkrone aufsetzen?«
»Zuerst die Krone, anschließend töte ich sie«, sagte Ava beschwingt. »Man sollte Ressourcen nicht unnötig verschwenden.«
Des schaute vielsagend zu Mandy, die sich auf dem Boden wiegte und dabei am Daumen nuckelte. »Das ist für dich keine Verschwendung?«
Ava knirschte mit den Zähnen. »Nein. Das ist für mich ein einkalkuliertes Risiko. Also, was werden wir wegen Parrish unternehmen?«
Er wirkte ratlos. »Keine Ahnung«, murmelte er. »Ich weiß es einfach nicht.«
Sie seufzte. Des war gelegentlich furchtbar schwer von Begriff. »Des, Schätzchen, wir müssen uns etwas einfallen lassen. Er will in Rente gehen, nicht wahr? Ein Risikoalter für einen Mann. Ich spreche von gesundheitlichen Problemen, chronischen Schmerzen. Von Trauer und Einsamkeit. Zudem musste er letztes Jahr einen schweren Verlust verkraften. Die arme Linda. Er muss angeschlagen sein. Depressiv. Und dann noch seine Tochter, mit ihren psychischen Problemen. Ach, herrje. Wie bedauernswert. Und dann hat er sie auch noch enterbt. Sie muss sehr böse auf ihn sein. Bestimmt fühlt sie sich betrogen. Vielleicht lässt sie sich sogar zu einem …« Ihre Stimme senkte sich zu einem Flüstern, »… Mord hinreißen?«
Desmonds Miene ließ erkennen, dass er langsam zu begreifen begann. »Ja, das wäre gut möglich. Es würde niemanden überraschen. Er ist ja auch wirklich ein selbstgerechter, aufgeblasener Geizhals. Es ist ein Wunder, dass ihr nicht schon jemand zuvorgekommen ist.«
»Wie überaus tragisch«, fuhr Ava betrübt fort. »All die Jahre, in denen er sich für die Firma, die Gemeinschaft aufgeopfert hat … und nun muss es so enden, ermordet von seinem eigen Fleisch und Blut. Das ist wie bei Shakespeare.«
»Trotzdem bleibt Ronnie zu berücksichtigen, falls du dich auf das Geld beziehst«, wandte Des ein. »Ronnie wäre die Erbin seines –«
»Edie muss schrecklich eifersüchtig auf ihre jüngere Schwester sein«, fuhr Ava verträumt fort. »Daddys kleiner Liebling, nicht wahr? Ich wette, Edie liegt nachts wach und tüftelt an einem Plan, wie sie dieses eingebildete, selbstherrliche kleine Miststück am besten ins Jenseits befördert. Also murkst sie die Schwester ab, anschließend begeht sie Selbstmord. Es ist entsetzlich. Es ist einfach der Hammer.«
Des lachte leise. »Ich liebe es, was dein Gehirn so alles ausbrütet«, sagte er mit unverhohlener Bewunderung. »Dein wahnsinniges Genie kennt einfach keine Grenzen.«
»Bis auf die, die du mir mit deiner Zimperlichkeit setzt.« Ava trat das Mädchen, das in Embryonalstellung auf dem Boden kauerte, in die Rückseite des Oberschenkels. »Entsorge diesen Müll für mich. Ich bin es leid, sie anschauen zu müssen.«
Sein Lächeln erstarb. »Ich erledige keine Schmutzarbeit, Ava«, knurrte er. »Auch wenn ich weiß, dass es dich antörnen würde.«
»Dann besorg uns mehr Geld. Das würde mich ebenfalls antörnen. Denk in größeren Dimensionen. Ist es nicht das, was Dr. O uns gelehrt hat?« Ava leckte sich über die glänzenden roten Lippen – eine bewusste Geste, um Des scharfzumachen – und schlenderte zu der Chaiselongue. »Zersprenge die Ketten deiner Vorstellungskraft, hat Dr. O immer gesagt. Denk darüber nach. Die vollständige Kontrolle über die Parrish Foundation. Und dazu noch Parrishs Privatvermögen. Seine vielen Milliarden, investiert in das X-Cog, mit einer tausendprozentigen Rendite. Wäre das nicht einfach … geil?«
Sein Lächeln brachte seine perfekten Zähne zum Vorschein. Desmond Marr, zukünftiger Präsident von Helix. Harvard-Absolvent. Gehätschelter Prinz. Avas persönlicher Sklave.
Auch Des war einer von Dr. Os Zöglingen gewesen, allerdings hatte er, der Sohn des Mitbegründers von Helix, Raymond Marr, die Oase von einer wesentlich angenehmeren Seite kennengelernt. Des war ein verwöhntes Schoßtier gewesen, eine Perserkatze mit Diamanthalsband.
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