Die Macht der Drei
würde.
Fünfzig Stunden, in denen die Insassen des Berges nichts anderes tun konnten, als tatenlos zu warten. Abgeschnitten von der Welt, ohne Kunde von dem, was draußen vorging.
Atma saß am Lager Silvesters. Er zwang ihn, sich wohltätiger Ruhe hinzugeben, seinem armen mißhandelten Herzen, das immer noch unruhig und unregelmäßig gegen die Rippen pochte, Erholung zu gönnen.
Erik Truwor war allein, eine Beute quälender Gedanken, die sich nicht verjagen ließen.
Was war in den Tagen ihrer Gefangenschaft geschehen? Hatten die ersten Warnungen der Macht genügt, oder war der Krieg doch ausgebrochen?
Besaß die Menschheit so viel Einsicht, der sinnlosen Zerstörung aus eigener Kraft Einhalt zu gebieten?
War das der Fall, dann würde er das Werk so ausführen können, wie er es geplant hatte.
Aber wenn sie ihm nicht gehorchten? Wenn sie in diesen Tagen seiner erzwungenen Untätigkeit übereinander herfielen?
War das nicht der Beweis dafür, daß sie noch nicht zur Selbstregierung reif waren, daß sie einen Selbstherrscher brauchten, zu ihrem Glücke gezwungen werden mußten?
Wer sollte sie dann zwingen? Die Träger der Macht. Drei Köpfe, drei Sinne!
Nur einer konnte der Herr sein. Wer sollte es sein?
Silvester, der stille Gelehrte, der Forscher?
Oder Atma? Der Schüler des Buddha Gautama?
Nein und nochmals nein! Nur er selbst konnte es sein. Der Nachfahre des alten Herrengeschlechtes, dem eine zweifache Prophezeiung noch einmal die Herrschaft versprach.
Die Wucht der Gedanken riß Erik Truwor empor. Er sprang auf und irrte durch die Eisklüfte des ausgehöhlten Berges.
Er war von der Vorsehung auserwählt. Ihm hatte das Schicksal die unendliche Macht in die Hand gegeben. Er brauchte Gehilfen, treue ergebene Paladine, um sie auszuüben. Dazu hatte das Geschick ihm die Freunde an die Seite gestellt. Dem Herrscher die Macht, seinen Paladinen das Wissen und den Willen.
Das Schicksal rief ihn. Das Schicksal hatte Ungeheures mit ihm vor, wenn… wenn in diesen Tagen der Kampf ausgebrochen war. Mit kaum zu bändigender Ungeduld erwartete er die Stunde der Befreiung aus dem eisigen Gefängnis…
Am siebenten Tage nach der Katastrophe wagten es die Eingeschlossenen. Sie ließen die Druckluft aus dem Eisberge langsam ins Freie entweichen. Erik Truwor stand am Ventil, den Blick auf dem Druckzeiger. Im untersten Gange beobachtete Silvester den Wasserspiegel. Das Mikrofon am Munde, bereit, Alarm zu geben, wenn das Frischeis nicht hielt, der Berg sich senkte, das Wasser stieg.
Mit leisen Pfiffen entwich die Luft. Langsam fiel der Zeiger des Manometers. Nur noch wenige Linien stand er über den Nullpunkt. Erik Truwor lehnte sich gegen die Eiswand, drückte das Ohr gegen die Fläche, um jedes Knistern, jedes kommende Brechen des Eises so früh wie möglich zu spüren.
Es blieb ruhig. Nur das schwächer und schwächer werdende Pfeifen der entweichenden Luft. Jetzt nur noch ein leichtes Rauschen. Der Zeiger stand auf dem Nullpunkt. Der Druck war ausgeglichen. Der Berg hielt sich ohne Unterstützung der Preßluft.
Schnell fraß der kleine Strahler einen neuen Ausgang durch die Schale des Berges. Die Antenne in Ordnung bringen, den Verkehr mit der Welt wiederherstellen, das war jetzt das wichtigste. Die Antenne auf dem Abhang des Berges war unversehrt geblieben. Nur die Verbindungen nach den Apparaten hin waren bei der Katastrophe zerrissen. Zehn Minuten genügten, um eine Notleitung zu legen. Kaum war die letzte Verbindung hergestellt, die letzte Schraube angezogen, als auch schon wieder Leben in die Apparate kam, die alle diese Tage hindurch still und tot dagelegen hatten. Die Fernschreiber klapperten, die Laufwerke rollten, und die Streifen, dicht mit Buchstaben bedeckt, quollen hervor. Nachrichten aus Amerika und Europa, aus Australien und Afrika.
Das Schicksal ging seinen Weg. Der Krieg war ausgebrochen. Englische und amerikanische Luftstreitkräfte waren an den verschiedensten Punkten der Welt zusammengeraten. Das Gros der kombinierten englischen See- und Luftstreitkräfte hatte die Häfen verlassen, um die amerikanische Ostküste anzugreifen. Die amerikanische Flotte war den britischen Einheiten entgegengefahren. Nur noch wenige Stunden, und es mußte zu einer gewaltigen Luft- und Seeschlacht mitten im Atlantik kommen.
Die Frage, die sich Erik Truwor in diesen Tagen unfreiwilliger Ruhe so oft vorgelegt hatte, war entschieden. So entschieden, wie er es in unruhigen Nächten gefürchtet hatte. Die
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