Die Macht des Feuers
Deutschland um das Jahr 1337 auf die ersten Fälle wiederkehrender Toter, die zum Teil auf dem Aberglauben basieren, daß diejenigen, die von Wiedergängern mit ihrem Namen angesprochen werden, anschließend innerhalb kurzer Zeit ebenfalls sterben. Ein bemerkenswertes Beispiel hierfür ist die von Karl-Ferdinand von Schertz in seiner Magia posthuma (1706) zitierte Geschichte des Schafhirten Myßlata, der damals in dem böhmischen Dorf Blow bei der Stadt Cadan lebte. Nachdem Myßlata gestorben war, kehrte er immer wieder aus dem Grab zurück, um bestimmte Menschen bei ihrem Namen zu rufen, die daraufhin in der Frist von acht Tagen verstarben.
Um das Übel auszumerzen, kamen alle Bauern von Blow und der umliegenden Ortschaften zusammen und berieten, was zu tun sei. Schließlich gruben sie die Leiche des Schafhirten aus und rammten einen Eichenpfahl durch den Körper. Doch der gepfählte Myßlata machte sich lediglich über die Bürger lustig und dankte ihnen höhnisch dafür, daß sie ihm einen Stock gegeben hätten, mit dem er sich besser gegen die Hunde zur Wehr setzen könne. In derselben Nacht kam der Hirte von neuem aus seiner Grube und verdammte mehr Menschen zum Tode als je zuvor. Also pfählte man Myßlata kurzerhand erneut und verbrannte ihn auf dem Scheiterhaufen, wobei der Leichnam »brüllte wie ein Wilder und Hände wie Füße einem Lebenden gleich bewegte«. Aus dem Körper des Schafhirten sprudelten Unmengen von schwarzem Blut. Als man Myßlatas Asche schließlich in alle Winde verstreute, kehrte in Blow endlich wieder Ruhe ein.
Ein anderer interessanter Vorfall trug sich, wie der Marquis d'Ar-gens in seinen Jüdischen Briefen (1738) berichtet, etwa zu derselben Zeit in einem ungarischen Gebiet mit dem Namen Oppida Heodo-num zu, das von den Heiduken bewohnt wurde. Dreißig Tage nach-dem der Bauer Arnold Paul aus Medreiga von einem auf ihn stürzenden Heuwagen erschlagen worden war, starben in dem Ort vollkommen unerwartet vier Menschen; an ihren Hälsen entdeckte man Bißwunden, wie man sie dem Volksglauben zufolge bei jenen findet, die von Vampiren heimgesucht wurden.
Die abergläubischen Bürger von Medreiga erinnerten sich daran, daß Paul häufig davon erzählte, wie ihn ein Vampir in der Nähe von Cassova nahe der Grenze Türkisch-Serbiens angefallen habe. Sie nahmen an, daß Arnold Paul nach seinem Ableben ebenfalls zu einem Blutsauger geworden war, und gruben seinen Leichnam aus, der laut d'Argens »alle Merkmale eines Obervampirs aufwies. Der Körper war rosig. Haare und Nägel waren gewachsen. In den Adern floß Blut, das aus sämtlichen Körperöffnungen auf das Totenleinen tropfte. Der Haduagi (Dorfschulze), von welchem die Exhumierung vorgenommen wurde, ließ, wie es Sitte ist, einen spitzen Pfahl in das Herz des Toten treiben, der den ganzen Leib durchdrang. Nach Hörensagen soll Paul einen furchtbaren Schrei ausgestoßen haben, als lebe er noch. Daraufhin schnitt man ihm den Kopf ab und verbrannte alles. Gleiches tat man mit den Leichnamen von vier weiteren durch Vampire getöteten Einwohnern Medreigas, weil man befürchtete, sie könnten nicht zur Ruhe kommen.«
Vorfälle dieser Art ereigneten sich zu jener Zeit ausgesprochen häufig und verschwanden auch in späteren Jahren nicht, selbst wenn sie während der Industrialisierung stark abnahmen. Noch gegen Ende des vorigen Jahrhunderts fanden in Preußen mehrere »Vampirprozesse« gegen Menschen statt, die aus Furcht vor Blutsaugern Gräber geöffnet hatten, um Leichen zu pfählen und ihnen die Köpfe abzutrennen. Otto Steiner schildert in seinem Buch Vampirleichen (1959) die Verhandlungen gegen die Familien Gehrke und Poblocki, die in beiden Fällen mit Freispruch endeten, da den Angeklagten zugebilligt wurde, sie hätten in »gutem Glauben« gehandelt.
Daß solche aus Furcht vor Vampiren geborenen Vorfälle nicht auf Europa beschränkt waren, bestätigt eine Meldung der Deutschen Presse-Agentur vom 26. 07. 1994, wonach Forscher auf einem alten Friedhof im amerikanischen Bundesstaat Connecticut ein »Vampirgrab« entdeckt haben. Als das Steingrab eines ungefähr fünfzig Jahre alten Mannes geöffnet wurde, fanden die Forscher den Kopf des Toten von der Wirbelsäule abgetrennt auf dem Brustkorb der Leiche liegend, darunter die gekreuzten Oberschenkelknochen.
Der Fund bestätigte Gerüchte, wonach die Menschen Neuenglands früher glaubten, Opfer von Tuberkulose (Schwindsucht) würden aus dem Reich der Toten zurückkehren, um den
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