Die Macht des Feuers
vernichten.«
»Tja«, sagte Lilith und stieß eine verkohlte Leiche, die zu ihren Füßen im Schmutz lag, mit dem Stiefel an. »Sieht ganz so aus, als hätten sie das auch getan. Allerdings gründlicher als nötig ...«
Bei diesen Worten ging ein leises Zittern durch die dunkle Gestalt des Mönchs. Im ersten Augenblick dachte Lilith, daß er sie angreifen würde, um sich für ihren Frevel zu rächen, doch dann fuhr Nod fort: »Das Feuer hat sie alle verbrannt. Ergriff ihre von der Seuche gezeichneten Leiber und tötete sie, die da glaubten, von der Macht des Feuers geheilt zu werden. Da wurde mir klar, daß Gottes Zorn über sie gekommen war!«
Lilith war verblüfft. Woher wußte dieser Mönch, daß Gott es gewesen war, der die Seuche über die Vampire gebracht hatte - eine Tatsache, die nicht einmal Landru sofort erkannt hatte? War es reine Intuition, oder hatte er Kenntnis von den Vorgängen im Garten Eden?
»Einst war ich in seinen Diensten«, fuhr die düstere Gestalt fort, »aber ich wandte mich ab von ihm. Nun hat er mich gestraft.« Er senkte den Kopf; seine Stimme wurde zu einem Flüstern. »Aber sind wir nicht alle von ihm geschaffen, Menschen und Vampire?« fragte er. »Gott liebt seine Geschöpfe nicht mehr. Sonst würde er nicht Tod und Verderben über sie bringen. Aber ich ...« Er schlug sich vor die Brust. »Ich habe meine Geschöpfe geliebt! Und er hat sie mir genommen! Darum muß er büßen! Und gegen die Rache Nods wird selbst der Zorn Gottes machtlos sein!« Jetzt schrie er fast.
Lilith erkannte, daß sie es mit keinem gewöhnlichen Vampir zu tun hatte. Seine Worte klangen aufrichtig - aber hatte ein Vampir jemals Liebe empfunden? Und was bedeuteten seine Worte, eine »Macht hinter dem Tor« hätte ihm Gewalt über das Feuer verliehen?
Aber welche Sonderstellung Nod auch immer eingenommen hatte - der Verlust seiner »Gemeinde« hatte ihn offensichtlich um den Verstand gebracht. Er gab Gott die Schuld an dem, was mit seinen Anhängern geschehen war - nicht aus der Kenntnis heraus, was wirklich im Garten Eden geschehen war, sondern in dem Wahn, Gott würde ihn, den Abtrünnigen, strafen. Und er rächte sich nun am ihm, indem er wahllos Kirchen abfackelte.
Lilith versuchte mehr über seinen Werdegang herauszufinden.
»Diese Heiligen Flammen, die dir anvertraut wurden - was hat es damit auf sich?« fragte sie.
»Die Macht wurde mir vor langer Zeit verliehen«, erklärte Nod. »Der Magmaschlüssel gab sie mir, als ich dereinst das Tor bewachte.«
»Das Tor? Was verbirgt sich dahinter?« forschte Lilith.
Der Mönch lachte spöttisch. »Wer weiß das schon? Ich nicht. Aber ich werde es erfahren. Bald. Sobald die Zeit kommt, das Große Siegel zu brechen.« Nod verstummte. Er sah Lilith unter dem Schatten der Kapuze hervor an und sagte prophetisch: »Und wenn ich das Portal geöffnet habe, wird die Apokalypse über die Welt kommen. Der Jüngste Tag wird anbrechen, aber es wird nicht Gott sein, der die Sünder richtet, sondern ich! Und ich fange schon jetzt damit an!«
Bei diesen Worten begannen zwischen den Fingern des Vampirmönchs plötzlich blauweiße Funken zu tanzen, als ob Nod unter Strom stände, und der Gestank von Ozon erfüllte die Luft.
Lilith erstarrte.
Nod hob die Hände, während sich die blauen Funken schnell zu Energiebällen verdichteten, und richtete sie auf Lilith wie Schußwaffen. »Die Wege des Herrn sind unergründlich«, zitierte er spöttisch. »Und zuweilen ziemlich kurz!«
Damit schleuderte er die Feuerbälle auf Lilith!
*
Obwohl die Halbvampirin mit einer Attacke gerechnet hatte, war sie dennoch zu langsam, um beiden Energiebällen auszuweichen. Sie schaffte es zwar, der ersten Kugel durch einen Sprung zur Seite um Haaresbreite zu entgehen, aber das zweite Geschoß streifte ihre rechte Schulter mit der Wucht eines Vorschlaghammers.
Lilith schrie auf. Sie wurde nach hinten geschleudert wie eine Puppe und krachte mit dem Rücken hart gegen die Kellerwand. Ein wenig benommen registrierte sie, daß die blauweißen Flammen versuchten, ihre Kleidung zu verzehren, sie in Brand zu stecken.
Doch der »Stoff« bestand aus dem Symbionten, einem lebenden, denkenden Gewebe, vor vielen Jahrtausenden aus der Haut der Ur-Lilith geschaffen. Und obwohl dieses letzte verbliebene Teilstück nur noch wenige seiner früheren Fähigkeiten besaß, war er dennoch immer noch feuerfest. Die Flammen fanden hier keine Nahrung und erloschen flackernd.
Nod stieß ein enttäuschtes Zischen
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