Die Macht des Feuers
geschleudert. Sie schrie und stellte fest, daß ihr Mund verschlossen war, daß der Symbiont keine Stelle an ihrem Körper freigelassen hatte, um sie vor dem Feuer zu schützen.
Dennoch spürte sie deutlich, wie die Flammen gierig an ihr zu fressen versuchten, sich in den Symbionten gruben, um an ihr Opfer zu gelangen. Wenn sie in der Lage gewesen wäre, durch die Symbi-ontenmasse zu sehen, hätte sie erkannt, daß sie in einen lodernden Mantel aus Feuer eingehüllt war, der auch dann nicht erstarb, als sie wieder auf dem Boden aufschlug.
Blind wälzte Lilith sich im Schnee, halb bewußtlos vom Schmerz, und hoffte, daß die Flammen bald ersticken zu können, denn durch die vollständige Umhüllung konnte auch keine Luft mehr in ihre Lungen erlangen.
Und atmen mußte die Halbvampirin, wenn auch in langsamerem Rhythmus als normale Menschen.
Als sie eine Sekunde später von einem weiteren Feuerball getroffen wurde, hatte Lilith das Gefühl, zerfetzt zu werden. Neuerliche Flammen hüllten sie ein und setzten dem Symbionten zu. Lilith konnte seinen Schmerz körperlich spüren; er vereinigte sich mit dem ihren und ließ grelle Explosionen in ihrem Geist aufblühen.
Der Sauerstoffmangel schnürte ihr allmählich die Kehle zu. Ein scharfes Brennen kroch ihre Luftröhre hinauf. Rote Schleier umwölkten ihren Blick, vor dem nichts als Schwärze war.
Sie riß den Mund auf, rang verzweifelt nach Atem, aber da war nur Leere. Vakuum. Sonst nichts. Langsam begannen ihr die Sinne zu schwinden .
Da gewahrte Lilith plötzlich, wie sich ein Paar Hände um ihren Schädel legte, bereit, ihr mit einem heftigen Ruck das Genick zu brechen wie einen trockenen Ast.
Nod!
Er war direkt bei ihr!
Lilith reagierte mit der Kraft der Verzweiflung.
Blind und kaum mehr bei Sinnen warf sie sich zur Seite, so daß der Griff der unsichtbaren Hände von ihrem Kopf verschwand. Gleichzeitig stieß sie ihre Finger in die Richtung, in der sich der Vampirmönch befinden mußte, und bekam seine Kutte zu fassen. Heftig riß sie daran und brachte den überraschten Nod so zu Fall.
Durch eine Wand aus Watte hörte sie, wie der Mönch wütend fluchte. Er wollte sich aufrappeln, doch das ließ sie nicht zu. Blind warf sie sich auf den Vampir und tastete nach seinem Kopf, während ihre schmerzenden Glieder durch den Sauerstoffmangel zunehmend träger wurden. Ihre Finger glitten über den Stoff seiner schwarzen Kutte, zeichneten die Linien seines Körpers nach, voller Panik.
Dann spürte sie plötzlich die Form seines hin und her ruckenden Kopfes unter den Händen und klammerte sich daran wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm. Nod versuchte sich aus ihrem stetig schwächer werdenden Griff zu lösen. Lilith wußte, daß ihr keine Zeit mehr blieb.
Mit der allerletzten Kraft, die noch in ihrem ausgelaugten Körper steckte, riß sie den Schädel des Vampirs ruckartig so weit zur Seite, wie sie nur konnte.
Niemals zuvor hatte das Knirschen eines brechenden Rückgrats für Lilith einen solchen Klang gehabt!
Nur noch beiläufig registrierte sie, wie der Körper unter ihr erschlaffte und zerfiel, ehe die Bewußtlosigkeit wie eine schwarze Welle über ihr zusammenschlug und Lilith mit sich fortriß ...
*
Als die Halbvampirin wieder zu sich kam, war von Nod nur noch ein Häufchen grober Ascheflocken übrig, die vom Wind über den Schnee verteilt wurden. Die Kutte lag zusammengefallen auf dem Boden, leer und so ansehnlich wie ein alter Kartoffelsack.
Lilith richtete sich keuchend auf und sah hinüber zur Kirche, die noch immer lichterloh brannte. Große Teile des Gebäudes waren bereits eingestürzt, und die kläglichen paar Mauern, die noch standen, würden bald folgen. Das Feuer tilgte die Spuren von Nods Umtrieben restlos.
Benommen ging Lilith im flackernden Schein der brennenden Kirche in Richtung Vorplatz, wo Marks Wagen parkte. Die Wundmale, die das Feuer ihr zugefügt hatte, heilten bereits. In zwei oder drei Stunden würde von ihnen nichts mehr zu sehen sein. Nicht einmal Narben würden zurückbleiben.
Doch obwohl Lilith wußte, daß sie froh darüber sein mußte, dieses Abenteuer relativ glimpflich überstanden zu haben, war dem nicht so. Zuviel von dem, was Nod ihr im Keller der Kirche gesagt hatte, ergab für sie keinen Sinn.
Was war das für ein rätselhaftes Tor, das die Apokalypse über die Welt bringen sollte, wenn es geöffnet wurde? Und was hatte es mit diesem Magmaschlüssel auf sich, der Nod einst die Macht über das Feuer verliehen
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