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Die Macht des Geistes

Die Macht des Geistes

Titel: Die Macht des Geistes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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Musiker spielten, was ihnen gerade einfiel, nachdem sie sich einmal auf eine Grundmelodie geeinigt hatten. Das Ergebnis war trotzdem faszinierend; Corinth hörte aufmerksam zu und versuchte, die Bestandteile der Musik zu analysieren. Einige Paare bewegten sich auf der Tanzfläche und erfanden dabei immer wieder neue Figuren. Früher hätte man diese Art musikalischer Darbietung vermutlich als Jam Session bezeichnet, aber die Musik war dafür eigentlich zu ... intelligent. Wieder ein Experiment, dachte Corinth. Die ganze Menschheit stellt Experimente an und sucht nach neuen Fixpunkten, nachdem die Welt des Geistes plötzlich uferlos geworden zu sein scheint.
    Er wandte sich wieder Helga zu und stellte überrascht fest, daß sie ihn die ganze Zeit über aufmerksam beobachtet haben mußte. Er wurde rot und suchte nach einem unverfänglichen Thema, über das sie sprechen konnten. Aber sie verstanden sich zu gut. Sie kannten sich seit Jahren und hatten in dieser Zeit ständig miteinander gearbeitet; jetzt besaßen sie eine eigene Sprache, die nur sie verstanden. Jeder Blick und jede Geste hatte eine bestimmte Bedeutung, und selbst die kleinste Nuance im Ausdruck ging nicht verloren, so daß sie schließlich beide glauben konnten, nicht mit dem anderen, sondern mit sich selbst zu sprechen.
    »Arbeit?« fragte Corinth laut und meinte damit: (Wie bist du in den letzten Tagen mit deiner Arbeit vorangekommen?)
    »Ziemlich gut«, antwortete Helga gleichmütig. (Wir verwirklichen eine atemberaubende Idee, glaube ich. Vielleicht sogar die bedeutendste Aufgabe der Geschichte der Menschheit. Aber irgendwie habe ich das Interesse daran verloren ...)
    »Freue mich, dich heute zu sehen«, fuhr er fort. (Ich brauche dich. Ich brauche dich, weil du mich vor dem Abgrund zurückhältst.)
    (Ich bin immer für dich da), sagten ihre Augen.
    Ein gefährliches Thema. Rasch etwas anderes.
    »Wie gefällt dir die Musik hier?« erkundigte er sich. »Vielleicht ist das bereits die richtige Ausdrucksform für die ... moderne Menschheit.«
    »Vielleicht«, meinte Helga schulterzuckend. »Aber mir sagen die alten Meister mehr zu. Sie sind menschlicher.«
    »Ich frage mich manchmal, ob wir noch menschlich sind, Helga.«
    »Bestimmt«, antwortete sie überzeugt. »Wir bleiben immer, was wir einmal waren. Und wir werden auch in Zukunft Liebe und Haß, Angst und Tapferkeit, Lachen und Schmerz kennen.«
    »Aber im gleichen Ausmaß?« warf Corinth ein. »Das bezweifle ich.«
    »Vielleicht hast du recht«, stimmte sie zu. »Es fällt einem wirklich schwer, das zu glauben, was man glauben möchte. Da, jetzt hast du es.«
    Als er nickte, lächelte sie: (Ja, wir wissen es beide, nicht wahr? Das – und die ganze Welt dazu.)
    Corinth seufzte leise. »Manchmal wünsche ich mir fast ...«, begann er und schwieg dann wieder. Nein, ich liebe Sheila.
    (Zu spät, nicht wahr, Pete?) sagten ihre Augen. (Zu spät für uns beide.)
    »Tanzen?« fragte er. (Damit wir nicht immer nur daran denken.)
    »Gern.« (Wie gern!)
    Sie standen auf und gingen zu der Tanzfläche hinüber. Corinth war noch nie ein guter Tänzer gewesen, deshalb überließ er sich jetzt willig Helgas Führung.
    Trotzdem fand er die rhythmische Bewegung angenehmer, beruhigender und erfreulicher als jemals zuvor. Einen Augenblick lang wünschte er sich sogar, er wäre ein Wilder, der seine Sorgen im Tanz vergessen konnte.
    Nein, dazu war es zu spät für ihn. Er war ein Kind seiner Zivilisation – selbst jetzt noch; er konnte sich nicht von ihren Traditionen befreien. Aber was sollte man sonst tun, wenn man mit ansehen mußte, wie die geliebte Frau langsam wahnsinnig wurde?
    Ach, Liebste, konnten du und ich das Schicksal an uns binden ... Wie kindisch diese Vorstellung doch war! Und trotzdem hatte sie ihm einmal gefallen.
    Als die Kapelle eine Pause machte, gingen sie an ihren Tisch zurück. In der Zwischenzeit hatte der automatische Ober die Vorspeise gebracht. Corinth rückte Helgas Stuhl zurecht und schob dann seinen Teller nach dem ersten Bissen wieder von sich fort. Helga beobachtete ihn aufmerksam.
    »Sheila?« fragte sie: (Ihr geht es nicht besonders, nicht wahr?)
    »Nein.« (Danke, daß du dich erkundigt hast.) Corinth verzog das Gesicht. (Die Arbeit ist ein guter Zeitvertreib, aber Sheila ist ihr im Grunde genommen nicht gewachsen. Sie grübelt zuviel und hat in letzter Zeit sogar Halluzinationen. Und ihre Alpträume ...)
    Armer Liebling! »Aber warum?« (Du und ich und die meisten Menschen haben

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