Die Macht des Geistes
die Straße entlangkommen und spürte sein Herz rascher schlagen. Sie war nicht groß, aber unter der warmen Kleidung auch nicht übermäßig schlank und zerbrechlich gebaut, und das bronzefarbene Haar umrahmte ein junges Gesicht, das offen und ehrlich war. Sie trug ein Bündel auf dem Rücken, und die vielen Tage ihrer Wanderschaft über die Landstraßen hatten ihre Haut gebräunt und das Gesicht mit Sommersprossen besprenkelt. Brock blieb wie erstarrt stehen, aber dann rannte er auf sie zu. Als er endlich vor ihr stand, fehlten ihm jedoch die Worte.
»Hallo«, sagte sie schüchtern.
Er nickte unbeholfen. Er überlegte sich nicht, daß er stark und energisch aussah – nicht ausgesprochen gut, aber mit einem Gesicht, das sofort Vertrauen erwecken mußte.
»Ich habe gehört, daß hier noch Platz für Flüchtlinge ist«, sagte sie.
»Ja«, antwortete Brock. »Hast du einen weiten Weg hinter dir?«
»Ich komme aus New York.« Sie schien bei der Erwähnung der Stadt zu zittern, und er fragte sich, was dort geschehen sein mochte. Aber vielleicht fror sie nur. Der Wind war unterdessen noch kälter geworden. »Ich heiße Sheila«, fügte sie hinzu.
»Ich bin Archie – Archie Brock.« Ihre Hand lag fest in seiner. Sie schien keine Angst zu haben, und er wußte, daß sie genügend Intelligenz und Willensstärke hatte, um dazu beitragen zu können, daß die Gemeinschaft auch den nächsten Winter überstand, der kritisch werden konnte. Aber Brock ahnte auch, daß sie weniger intelligent als er war. »Herzlich willkommen bei uns«, sagte er jetzt. »Wir freuen uns über jedes neue Mitglied. Aber du wirst unser Leben seltsam finden, und wir müssen alle schwer arbeiten.«
»Davor fürchte ich mich nicht«, antwortete sie. »Ich kann nie wieder Angst haben, glaube ich.«
Brock nahm ihr das Bündel ab und ging neben ihr her auf das Haus zu. Am Horizont zogen dunkle Wolken auf; vielleicht fiel der erste Schnee dieses Winters schon heute. »Ich freue mich, daß du bei uns bleiben willst«, sagte Brock lächelnd. »Wie heißt du mit Nachnamen?«
»Sheila«, antwortete sie. »Nur Sheila.«
Sie gingen auf die Tür zu, vor der Joe bereits wartete. Im Innern des Hauses gab es Sicherheit und Geborgenheit.
Weitere Kostenlose Bücher