Die magische Fessel
und half ihm bei der Deutung. Robbin berührte das tief in seinem Innern, denn hieß dies nicht, daß Tinker ihn nicht geächtet hatte?
Robbin mußte sich mit Gewalt von solchen Gefühlen und Gedanken freimachen. Was allein zählte, war der Weg ins Mausoleum und der Schlüssel zu der Magie, die ihn versiegelte.
Er hatte noch nicht einmal den Einstieg in das Geheimnis gefunden, als er das leise Zischeln hinter sich hörte. Robbins Gestalt verkrampfte sich. Seine Glieder waren plötzlich steif, als er sich langsam aufrichtete und umdrehte.
Er sah die Schlange nicht, doch er wußte, daß sie nun gekommen war, neugierig, lauernd.
Vorsichtig machte er nach Carlumen hin mit beiden Händen eine Bewegung, wie um zu sagen: Bleibt, wo ihr seid! Laßt mich dies allein zu Ende führen!
Er widmete sich wieder der Betrachtung der Stele, ohne die Zeichen wirklich zu sehen, bis er das Zischeln zum zweitenmal vernahm.
»Ich dachte, daß du mir folgen würdest, Yhr«, sagte er leise. »Hast du also erkannt, daß weder du uns bezwingen kannst, noch wir dich? Hast du die Lust an einem Kräftemessen verloren, das sich bis in alle Ewigkeit hinziehen kann, ohne einen Sieger zu finden?«
Und mit zischelnder Stimme antwortete die Schlange:
»Ich kann auf die Ewigkeit warten, Pfader, denn ich bin nicht sterblich wie ihr. Was suchst du gegen mich zu gewinnen?«
»Nichts«, gab er zu, und das entsprach der Wahrheit. »Ich habe nichts zu gewinnen – und auch du nicht. Du kannst nur noch verlieren, Yhr. Was glaubst du, wie lange dein Meister noch mit ansehen wird, wie du versagst?«
»Ich versage? Ich kann euch jederzeit vernichten!«
»Dann hättest du es längst schon getan. Belüge dich nicht selber, Yhr. Irgendwann wird der Darkon dich zur Rechenschaft ziehen, und glaube mir, es wird sein, bevor wir Sterbliche das Zeitliche segnen.«
Es war ein Schuß ins Blaue, wie so vieles in diesem gewagten Spiel. Robbin konnte nur Vermutungen über die Bindung der Schlange an ihren Herrn anstellen, und ein einziges falsches Wort mochte genügen, um sie sein Spiel durchschauen zu lassen und sein Schicksal zu besiegeln.
Robbin hielt den Atem an, als Yhr nicht gleich antwortete. Dann aber fragte sie:
»Das hört sich so an, als wolltest du mir einen Handel vorschlagen, Pfader?«
Er spürte ihren kalten Atem in seinem Nacken und stellte sich vor, wie hinter dem Schleier der Unsichtbarkeit ihre acht Köpfe hinter ihm zuckten.
Für einen Augenblick verwünschte er sich dafür, sich auf dieses Abenteuer eingelassen zu haben. Dann aber hörte er wieder Kalains Worte und sah die Gesichter der Freunde, wie sie ihm Trost spendeten.
»Schlage dich auf unsere Seite, Yhr!« sagte er. »Befreie dich vom Darkon, der dir nichts mehr zu geben, aber alles zu nehmen hat. Entsage der Finsternis und komm zu uns, und die ganze Welt wird dir offenstehen, von Gorgan bis nach Vanga und in alle Bereiche, die noch ihrer Eroberung harren mögen!«
Yhr schwieg, und so begann Robbin, ihr Versprechungen zu machen, malte die Welt jenseits der Schattenzone, die er nie gesehen hatte, in den allerschönsten Farben und sagte der Schlange ein Dasein voller Wunder und Freuden voraus, die sie an der Seite der Carlumer zu erleben hätte.
Jedes einzelne Wort war ein Schritt ins Ungewisse, mit jeder Silbe hing er über einem Abgrund, der ihn verschlingen konnte.
Konnte es denn ein Geschöpf der Finsternis überhaupt reizen, andere Wunder zu schauen als die gräßlichen Zauber des Bösen?
»Kämpfe nicht länger gegen uns, sondern verbünde dich!« schloß er endlich. »Oder willst du für immer nur Sklavin sein und dich durch deine dunklen Bereiche winden, ohne jemals das Licht gesehen zu haben?«
So wie Oomyd! Auch Oomyd war der Finsternis hörig und wurde von Caeryll mit dem Glauben an das Licht erfüllt!
Doch was war Oomyd gegen die Schlange!
Abermals mußte Robbin bange Minuten durchstehen, und abermals hoffte er inbrünstig, daß die Krieger von Carlumen aus nicht eingriffen. Spannte die Schlange bereits ihre Muskeln, um ihre acht Köpfe vorschnellen und ihn verschlingen zu lassen?
»Deine Worte klingen gut, Pfader«, zischelte Yhr endlich wieder. »Ich werde sie mir überlegen.«
Er spürte, wie sie entschwand. Robbin sank zu Boden und schickte ein Dankgebet zu den Göttern, dankte dafür, daß er noch lebte und zumindest eine weitere Frist gewonnen hatte.
Fast glaubte er nun selbst daran, Yhr überzeugt zu haben.
Dann aber legte sich ein Schatten über ihn und
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