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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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seine korrekteste, nach Mottenkugeln duftende Vorkriegsgala steckte, und begab sich auf die Suche nach der plötzlich wieder so lebendigen Ilonka.
    Naturgemäß lenkte er seine Schritte, begleitet vom Dröhnen des aus der gräflichen Erbmasse stammenden Stockes, zunächst nach der Polizei, um festzustellen, wo eine gewisse Witwe mit fünf unaussprechlichen Konsonanten im Namen hauste. Der Name wurde nachgewälzt, doch nicht entdeckt. – »Der Herr möcht' ein wenig Geduld haben und gelegentlich wiederkommen. Bei der wechselnden Rechtschreibung der tschechischen Namen (noch dazu ohne Vokal, an den man sich klammern könnt') sei es eine niederträchtige Arbeit, den verewigten Feldwebel auszugraben. Nichts für ungut.«
    Worauf ihm nichts übrigblieb, als zunächst einmal einen Spaziergang zu machen. Er hatte allerhand Trinkgelder gespart, die seine Brieftasche schwellten. – – – Apart war das junge Grün, wie es so zum Vorschein kam. Ein paar Büsche blühten bereits gelb. Der Frühlingssermon der alten Weiber, die ihre Veilchensträußlein schwenkten, lautete wie seit je: »Weil Sie's sind, Herr Baron, ein Schilling . . .«
    Und überall saßen auf Parkbänken verlorene Existenzen.
    Sehr ärgerten ihn die ordinären Taxidroschken; sie kläfften ihn an wie erboste Köter, und oft mußte er sich, schier mit Verlust an Haltung, auf den Gehsteig zurückretten. Scheußlich zugenommen hatte der Verkehr während seiner »Klausur«.
    Andächtig beäugte er die Prachtbauten. Da hatte man wenigstens etwas Handfestes von früher, den ganzen monumentalen, unzerstörbaren Ausdruck des monarchistischen Prinzips. All die Herrschaften auf ihren muskelschwellenden Marmorrössern, all das Barock, das in tobendem Herrschdrang ins Blau brandete, war Balsam für seine Seele. Und doch webte in der mildstreichelnden Frühlingssonne ein Hauch von Melancholie darüber. Kein Wunder: dies alles war nicht mehr berechtigt. Glanzvolle Kulissen waren das; auf ihnen ließ ein verschuldeter Magistrat den alten Scheinwerfer spielen. Ein Museum voll toter Pracht, in dessen weitläufigen Räumen und Gängen eine darbende Menge wuselte; ein Ameisenhaufen, in den ein eiserner Besen gefahren war und ihn in tausend triste Asphaltrinnen hineingekehrt hatte. Der Vergleich fiel ihm ein mit einer Perlmuttermuschel, einem großen Meerschneckenhaus, das zwar noch ganz wunderbar schimmert, doch der eigentliche Bewohner ist fort, so daß im Gehäuse nichts mehr weilt als ein bißchen Duft und viel sausende Erinnerung. Hielt man das Ohr dran, so starb wie ein kleines Fragezeichen ein anmutiger Walzertakt.
    Aber was an Herrn Perlafinger lag, so mußte einmal wieder die Zeit kommen, da ein gekrönter Nachkomme prächtig Einzug halten würde in die leere Muschel! Alsdann gibt's einen Tusch darin; der schmettert lauter als jener tränenreiche Dreivierteltakt! Ja, wenn einmal der Otto, der nette Bub' (dessen schwarzgelb umschleifte Bildchen in kleidsamem Matrosenanzug sein Ofensims zierten) herabsteigen würde aus der Ferne seines Exils, im Morgenrot besserer Zeiten, und eine Armee von Fensterputzerinnen in Bewegung setzen . . . Der würde auch die alte Dame Wien in ihrer vereinsamten Loge, die sie im Welttheater innehatte, galant wieder aufwerten, so daß sie's dann nicht mehr nötig hatte, ins internationale Parkett hinunter zu lorgnettieren, um so nervös das Mienenspiel der Kavaliere »Anschluß« und »Anleihe« zu studieren. Dann würde sie wieder jung auf ihre alten Tag', wenn der Otto käm' und sie herauszög' aus dem Schlamassel. – – –
    Perlafinger stampfte mit dem Stock auf, und da ihm im Augenblick nichts Besseres einfiel, ging er die Kärntnergasse hinunter und landete im »Griechenbeisl«.
    Hier stellte er fest, daß wenigstens das Pilsener den Sturz der Monarchie unbeschadet überdauert hatte. Auch die alten Kellner dort heimelten ihn an.
    Dies stellte er solange fest, bis er einen kleinen Schwips hatte. Ein solcher Zustand veredelt, und mit jedem Glas wird die Welt verständlicher. Zunächst mußte eine unabweislich aufsteigende Rührung überwältigt werden, in der sich die Trauer über den Umsturz mit seinen persönlichen Versäumnissen verquickte. So gab Herr Perlafinger, respektvoll von konservativen Gästen und verträumten Kellnern betrachtet, zunächst ein Bild ab mit der Unterschrift: »Mir bleibt nichts erspart.«
    Nachdem er der Vergangenheit einen Monolog gewidmet, wurde er menschlicher und zeitgemäßer. »Seine

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