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Die Mappe meines Urgrossvaters

Die Mappe meines Urgrossvaters

Titel: Die Mappe meines Urgrossvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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erschrecke nicht, und was wollt ihr denn von mir, Obrist?«
    Er wußte Anfangs nicht, was er sagen sollte - aber dann fing er langsam an, und erwiederte: »Nun - - ich habe euch heraufgehen gesehen, und da meinte ich, daß ich euch auch nachgehen könnte, weil ihr diese Stelle ganz besonders zu lieben scheint, - und daß wir da vielleicht mit einander redeten - - ich hätte euch etwas zu sagen - - aber wenn ihr wollt, so können wir es auf ein andermal lassen.«
    »Nein, nein, redet gleich, sagte ich, redet so lange ihr wollt, ich will euch geduldig anhören, und nicht zornig werden. Aber wenn ihr geendet habt, dann müßt ihr mich lassen, weil ich dahier noch ein Geschäft habe.«
    »O nein, Doctor,« antwortete er, »ich will euch nicht stören, wenn ihr ein Geschäft habt - mein Ding kann warten - - ich habe nur gemeint, wenn es sich so zufällig ergäbe - - ich lasse euch schon. - Es thut nichts; weil ich einmal da bin, so kann ich gleich in den Reutbühl hinübergehen; der Knecht sagt ohnedem, daß sie mir Holz stehlen. Wenn ihr mich ein andermal anhören wollt, so werde ich schon fragen lassen, wann ihr zu Hause seid, - wollet ihr aber gar freundlich sein, so besuchet lieber ihr mich einmal, weil ich in meiner Stube leichter reden würde, als in einer fremden. Aber nicht, daß ihr das für eine Unartigkeit aufnehmet, ich kann auch gerne zu euch kommen, lasset es mir nur in diesen Tagen sagen, wie es euch besser gefällt. Thut nun euer Geschäft - thut es im Namen Gottes und denkt nur immer, daß ich euer Freund gewesen bin, der euch stets Gutes gewollt hat. - - Ich habe fast gemeint, daß ihr hier oben an dieser Stelle wieder lesen werdet, wie ihr sonst gerne thatet; aber ich sehe, daß es nicht so ist. - - Noch Eins muß ich sagen: habt ihr denn nicht auch im Heraufgehen gesehen, Doctor, wie heuer das liebe Korn gar so schön stehet; es legt sich auf diese Jahreszeit schon so hoch und dunkel, daß es ein Wunder ist. Ich will von dem Reutbühl durch die Mitterwegfelder gehen, und dort den Neubruch betrachten, wo heuer zum ersten Male Weizen steht. Dann gehe ich wieder nach Hause. - Lebt jetzt wohl, und besuchet mich bald.«
    Diese oder ähnliche Worte hat er gesagt; denn ich habe sie mir nicht genau merken können. - Dann zauderte er noch ein wenig - dann that er aber höflich sein Barett ab, wie er es gewohnt ist, und ging davon. Er scheint auf keine Antwort gewartet zu haben, und ich habe auch keine geben gewollt. Ich schaute ihm nach, und sah, wie er immer weiter hinter die Baumstämme zurückkam, bis es wieder war, als wenn gar niemand da gewesen wäre.
    Ich wartete noch ein wenig, dann nahm ich das Tuch aus meinem Busen, und warf es mit Ingrimm weit von mir weg in die Büsche. - -
    Dann aber blieb ich noch auf der Stelle stehen, und getraute mir nicht aus dem Walde zu gehen. Ich schaute die Dinge an und bemerkte, daß es schon unterdessen sehr Nachmittag geworden war. Die Baumblätter regten sich schwach, die weißen Birkenstämme standen einer hinter dem andern, und zwischen ihnen kam die tiefe Sonne herein und umzirkelte sie, daß sie vergleichbar waren dem matten Scheine silberner Gefäße.
    Ich blieb noch recht lange in dem Walde.
    Es war endlich die Zeit des Abendgebetes gekommen, und manche Tannenäste wurden roth. - Siehe, da klang auf einmal hell und klar, wie ein Glöcklein, die Stimme der Grille, und klopfte mit einem silbernen Stäblein an mein Herz - gleichsam mit einem feinen, silbernen Stäblein klopfte das mißachtete Thier an mein Herz, als sagte es mir deutliche menschliche Worte. Beinahe hätte ich mich gefürchtet.
    Und wie ich dann von der Stätte fortging, klang auch das Abendlied der Ammer, es klang so dünne und dicht neben mir, als flöge das Vöglein heimlich mit, und zöge ein zitternd Goldfädlein von Zweig zu Zweig. - Und wie ich weiter gegen die Felder hinaus kam, lichtete und lohete der Wald immer mehr und mehr - die Augen des Himmels sahen herein, und die dünnen Stämme waren wie feurige Stäbe. Und wie ich nun gänzlich hinauskam, lag die ruhige Saat des Kornes da, welches der Obrist angeschaut hatte - weithin lag sie dunkelgrün und kühl da, nur die Spitzen waren ganz ein wenig roth gestreift von dem Widerscheine des Himmels. Die Wiesen drüben waren schon dunkel und wie mit grauem Reife bedeckt, und hinter dem Walde draußen war die Sonne untergegangen.
    Als ich zu Thal gekommen und an mein Haus getreten war, führte der Knecht meine zwei schwarzen Pferde aus der

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