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Die Mappe meines Urgrossvaters

Die Mappe meines Urgrossvaters

Titel: Die Mappe meines Urgrossvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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dortige Art und Sitte. Wenn Männer beisammen waren, suchte ich Händel zu erregen, und ermuthete mich dann im Zweikampfe; denn außer bei den Karten brachte ich die meisten Stunden auf dem Fechtboden zu. - So war es mit meinem Spiele. - - Da sagte einmal ein langer blasser Mann, den ich immer gescheut, und daß ich aufrichtig bekenne, den ich gefürchtet hatte, daß ich doch nur ein Lumpe sei, der vom Pariser Strolchengolde lebe. Er hatte die Worte zu mir selber gesagt; ich antwortete ihm nichts darauf, aber ging nach zwei Tagen zu dem Herrn Armand Pelton, dem derzeitigen Vorsteher des Armenwesens, und übergab ihm an Gold und Schmuck und Kleidern, wie auch an Pferden und Reitgeräthen Alles, was ich hatte. Nur hundert Ludwigsstücke hielt ich zurück und einen grauen schlechten Klepper, den ich mir am Tage vorher gekauft hatte. Seht, Doctor, ich habe noch die Scheine von jener Begebenheit, und werde euch dieselben zeigen.«
    Als der Obrist diese Worte gesagt hatte, stand er auf und suchte in den Laden seines Schreines. Er sammelte aus demselben mehrere Schriften, trat wieder zu mir und breitete sie auf dem Tische aus. Es waren richtig lauter Empfangsbriefe über verschiedene Summen und Stücke, welche der Graf Casimir Uhldom, Spieles wegen, der Armensache übergeben hatte, und welche durch die Namen der Väter bestätiget wurden, in deren Hände das Gut niedergelegt worden war. Als er mir mit dem Finger auf Alles gewiesen hatte, und der Punkt abgethan war, schob er die Papiere auf dem Tische zurück und sperrte sie nicht wieder ein.
    Dann fuhr er fort: »Ich lud am Nachmittage den langen blassen Mann zum Zweikampfe, und sagte ihm keine Ursache; aber da ich ihn durch die Schulter gestochen hatte, hielt ich ihm diese Schriften vor die brechenden Augen und schrie ihm zu, wer ich sei. Ich hielt ihn damals für sterbend und war damit zufrieden. Aber er starb nicht, ich lernte ihn viele Jahre darnach von neuem kennen, achtete ihn damals sehr hoch, und ich glaube, er mich auch. Als ich von dem Kampfplatze fort ging, spießte ich eine andere Schrift, die mir von dem Könige war zugeschickt worden, und mir einen schlechten Platz in dem Heere anwies, auf meinen Degen, und warf sie weg. Ich haßte nun den König, und begriff, daß ich unter die deutsche Reichsarmee gehöre. Als am andern Morgen die Sonne aufging, war ich schon weit von Paris; sie schien mir in das Angesicht, und ich ritt auf dem grauen Klepper Deutschland zu. Ich hatte ein schlechtes Lederkoller an und die hundert Ludwigstücke darin. Am siebenten Tage ging ich wieder über den Rhein. Damals sagten sie, daß ich ein arger Verschwender gewesen sein müsse, der vom Reichthume auf solch schlechtes Zeug gekommen; ich aber lachte, schaute in die dunkelgrünen Wogen des Rheins, und glaubte auch da noch nicht, daß es mir fehlschlagen könne. Ich erkannte, daß ich auf einem Irrwege gewesen sei, und daß ich nun einen andern betreten müsse. Daher beschloß ich, wie der Herzog von Friedland ein Kriegsheer aufzurufen, und mit demselben die Länder wieder zu erobern, die uns der König früher entrissen hatte. Ich gedachte hiebei des Zufalls, daß, wenn ich als Feldherr in Paris einzöge, etwa bei demselben Fenster ein Mägdlein herab schaue, bei dem ich sonst mit ihr gestanden, und so vergnügt gewesen war, wenn sie mich ihren lieben kleinen Grafen genannt hatte. Ich schämte mich recht jener kindischen Zeit und ihrer Bestrebungen. - Als aber nach zwei Jahren die neuen Entwürfe auch noch nicht in Erfüllung gegangen waren, fing ich an, in unserem Heere von unten auf zu dienen. Jetzt rückte die Zeit langsamer, und die Mühe belohnte sich nur um Haarbreite nach Haarbreite; aber aus Ehrsucht, weil mir schon nichts anders gelassen war, that ich auch das Jetzige gut, daß ich den andern zuvorkomme, und die übermeistere, die neben mir waren. - So wurde ich nach und nach sechs und zwanzig Jahre alt und bekannter unter den Vorstehern des Heeres. Da geschah es, daß ein Oheim starb, der letzte unserer Verwandten, und mir ein beträchtliches Vermögen hinterließ. Zu gleicher Zeit verliebte ich mich auch. Ach Gott, lieber Doctor, es sind jetzt viele, viele Jahre vergangen - und verzeiht mir die Worte, die ich sagen werde - ich war gerade so schwärmend wie ihr, ich war ausschweifend in Haß und Freundesliebe, ich war eben so strebend und vom Grunde aus gutherzig wie ihr. Seht nur, oft habe ich gemeint, ich müsse alle Sterne an mich herunter ziehen, und alle Welttheile auf

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