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Die Mappe meines Urgrossvaters

Die Mappe meines Urgrossvaters

Titel: Die Mappe meines Urgrossvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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gewinnen gelernt hatte. Manches ist theuer gekommen, ihr würdet es kaum denken, und es reute mich schon oft, daß ich auf meine Freude so viel verwende, das nach meinem Tode andern zu Gute kommen sollte: - aber sei es nun, wie es sei. - In dem Thale bekamen meine Päckchen immer mehr Gleichmässigkeit, bis im Alter eines, wie das andere, wurde. Ich richtete mich häuslich ein, und legte rückwärts hinaus den Garten an, in welchem mir meine Pflanzen wuchsen, die ich liebe, weil sie unschuldig den Willen Gottes thun.«
    Hier setzte der Obrist wieder aus, dann fuhr er fort: »Ich habe früher von einem Menschen geredet, der der erste war, der gesagt hat, daß ich ein gutes Herz habe, wie ihr heute der zweite, und ich habe versprochen, daß ich euch von ihm erzählen werde, damit ihr sehet, wie sehr es mich von beiden freute. Der Mensch hat mit mir in dem Thale gelebt, es war ein Weib - mein eigenes Weib ist es gewesen - und von ihm möchte ich euch noch etwas sagen, wenn ihr nämlich nicht müde werdet, mich anzuhören. Ich weiß es nicht, war sie besser oder schlechter, als tausend andere ihres Geschlechtes - ich habe die andern zu wenig gekannt - aber einen Vorzug hatte sie vor allen, die da leben, und dieser war, daß ich sie sehr geliebt habe. Oft war es mir, als sei ihr Leib meiner, als sei ihr Herz und ihr Blut das meinige, und als sei sie mir statt aller Wesen in der Welt. Ich hatte sie am Rheine kennen gelernt, wo sie von Verwandten hart gehalten wurde. Da ich eingerichtet war, holte ich sie herüber. Sie hatte mich nicht geliebt, aber sie war mit gegangen. Da sie am Vermählungstage unter ihren Angehörigen als verzagende Braut stand, sah sie nach meinen Augen, als wenn sie darin Treuherzigkeit suchte. Ich habe sie in mein Haus geführt, und habe sie auf der Schwelle desselben geküßt, was sie nicht erwiederte. Da ich sie in der Stube auf meinem Stuhle sitzen sah, noch den Hut auf dem Haupte, und die Oberkleider an: nahm ich mir vor, daß ich sie ehren und schonen werde, wie es mein Herz vermag. Ich rührte nun ihre Hand nicht an, ich ließ sie in dem Hause gehen, und lebte wie ein Bruder neben ihr. Da sie allgemach sah, daß sie hier walten dürfe, daß sie stellen dürfe wie sie wolle, und daß niemand etwas dagegen sage, da sie, wenn ich von der Jagd nach Hause kam - denn ich ging damals noch zuweilen - fragte, wie dieses und jenes stehe, und wie sie es machen solle: sah ich, daß die Pflanze des Vertrauens wuchs, - und daneben auch noch eine andere; - denn ihre Augen glänzten von Zufriedenheit - und so ging ihr die Seele verloren, bis sie sonst nirgends war, als in mir. Es ist nur ein verachtet Weib gewesen, das die Worte gesagt hat: »Wie dank ich Gott, daß du so gut, so gar so gut bist,« - und kein Lob meiner Obern, keine Freude des Sieges ist früher so in mein Herz gegangen, als die Worte des verachteten Weibes. Und als nach diesem schon viele Jahre vergangen waren, als ihr schon Muth und Vertrauen gewachsen war, als sie in meiner sichern Gattenliebe und Ehrbezeugung ruhen konnte: war sie noch demüthig wie eine Braut und aufmerksam wie eine Magd - es war eben ihr Wesen so - und deßhalb mußte geschehen, was geschah. - - Es ragten in der Gegend viele Schneeberge und blaue Spitzen, hinter unserem Hause rauschten Bergeswässer, und standen Wälder, in denen oft Monate lang niemand ging. Alles dieses zu durchforschen, lockte mich die Lust, und einmal that ich die Bitte, sie möge mich doch zuweilen begleiten, wann ich etwa seltne Alpenblumen suchen ginge, oder einen Baum, ein Wasser, einen Felsen zeichnete, wie ich es damals zu lernen anfing, und häufig ausübte. Nach ihrer Art sagte sie es bereitwillig zu - und nun ging sie oft zwischen thurmhohen Tannen, an brausenden Bächen, oder über harte Felsen mit mir, und sie war noch schöner und blühender neben den Bergen, als sie es zu Hause war. Wenn ich dann zeichnete, saß sie hinter mir, schlug Nüsse auf, oder ordnete die gesammelten Waldblumen zu einem Strauße, oder plauderte mit ihrem Hündchen, das ebenfalls unser steter Begleiter war, und von ihr an schwierigen Stellen sogar getragen wurde, oder sie legte aus meinem Wandersacke unser Nachmittagbrod zurechte; - oft saß sie neben mir und fragte, wie dieser und jener Stein heiße und warum diese und jene Blume nur immer im Schatten wachse. So wurde in den Wochen, was Anfangs nur Gefälligkeit gegen mich war, ihre Lust und ihre Freude - sie wurde sogar stärker; denn wie die Sonne des Waldes

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