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Die Mappe meines Urgrossvaters

Die Mappe meines Urgrossvaters

Titel: Die Mappe meines Urgrossvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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gehörten; weiter zurück in dem Säulengange wurden Fahnenstangen geputzt, und Papier angestrichen und geklebt, hinter welches Lampen gestellt werden würden. Der eine richtete und reinigte seinen Büchsensack, der andere seine Büchse. Vor dem untern Wirthshause wurde an einem Gerüste gelattet und genagelt - und als ich an der Schule vorbei ging, hörte ich mehrere Waldhörner aus derselben, auf denen Stücke eingeübt wurden. Diejenigen, welche auch gerade nicht wegen des Schießens etwas zu thun hatten, machten sich doch aus Ursache des heutigen Tages einen Feiertag, gingen herum, und nahmen sich Anlaß hier und da ein kleines Glas zu trinken. Die Weiber sagten, daß ihre Männer närrisch seien: aber sie selbst richteten Kleider und Bänder auf morgen, und bei mancher wurden zum Vorrathe Kuchen gebacken. Als ich wieder zu dem oberen Wirthshause zurück gekommen war, und in den Wagen steigen wollte, kam die Wirthin heraus und sagte: »Fahret nur fort, Doctor; wenn die Räder eures Wagens bei dem letzten Eckhause der obern Gasse hinaus sind, dann ist der einzige vernünftige Mann, der heute in Pirling gewesen ist, fort. Mit unserm Wirthe ist es schon recht schwer: wir durften seit Wochen den Bock nicht mehr schlagen, und da er jetzt gewaschen ist, würde er ihn in unser Ehebette legen, wenn er nur sonst darin liegen bliebe. Kommt morgen nicht gar spät, Herr Doctor, ich werde eure Flasche und euren Becher hinaus bringen lassen, ihr sollt den Wein von uns haben, den ihr schon kennt, und er wird in ein Eisgefäß gestellt werden.«
    Ich habe dieses alles darum eingetragen, weil es mir zu Herzen gegangen ist. Es ist mir lieb und treu gewesen seit meiner Kindheit her. Hätten sie mit fürstlichem Aufwande ein Schießen gerüstet, es hätte vor meinen Augen nicht eine Binse schwer gewogen.
    Da ich auf meinem Heimwege wieder auf die Felder hinaus gekommen war, und von dem hinter mir arbeitenden Pirling kein Ruf, kein Hammerschlag mehr vernehmbar war, sondern nur mehr ein sanftes Läuten seiner Glocken hinter mir her schwamm: war ich fast traurig. - Ich legte das Buch, in welchem ich gerne zu lesen pflege, in dem Wagen seitwärts, lehnte mich auf dem Sitze zurück, kreuzte die Arme, und sah so empor. Der herbstliche Himmel, spiegelheiter, lag ganz unbeschreiblich glänzend über den Wäldern, und diese standen ruhig und empfanden die Wärme der Mittagssonne - mein Thomas saß unbeweglich vor mir, mir den Rücken und den großen Hut zuwendend, und nur von Zeit zu Zeit die Zügel leichthin regend, indeß meine jungen Rappen freudig in der heitern Luft vor ihm her tanzten und fast unnatürlich in diesem Sonnenscheine glänzten. Ach diese guten, diese treuen, diese willigen Thiere - sie sind am Ende doch das Einzige auf dieser Erde, was mich so recht vom Grunde aus liebt. - - So dachte ich mir. - - Die Felder flogen rasch zu meinen beiden Seiten zurück und funkelten; sie waren zum Theile geackert, zum Theile in Stoppeln: aber es war kein Mensch auf ihnen - es war sehr stille, selbst das Mittagläuten von dem Thurme zu Pirling konnte ich nicht mehr vernehmen - die Waldwiege lag sanft vor mir und in ihrer Tiefe war ein kaum sichtbarer Dunststreifen, den Lauf der Siller anzeigend. Es gibt solche Herbsttage, in denen es ruhig auf Feld und Wäldern spinnt, wie ein Traum, ich kenne sie von meinem Herumfahren sehr gut - - und wie ein Traum war es mir auch, daß das die nemlichen Felder und Gründe sind, wo ich so oft als Knabe gewesen bin und mich sehr gefreut hatte, wenn ein so großes Scheibenschießen bevor stand, zu dem ich mit dem Vater und oft auch im Geleite der Schwestern hinab gehen durfte. Nun fahre ich hier, ein thätiger geehrter Mann mit dem Zurückdenken an jene ferne liegende Zeit.
    Wir waren unterdessen in die Waldwiege gekommen, und fuhren in ihrem Schatten. Als wir wieder jenseits ihr hinaus gelangten, waren wir auf den Feldern des Eidun. Man sieht dort die Siller wieder, und sie ist in dieser Tageszeit gewöhnlich glänzend, gleichsam als wäre ein geschlungener Silberblitz in das Thal geworfen worden. Wir fuhren durch die weit zerstreuten Häuser des Eidun hin, unsern bekannten Waldbeständen zu. Die Pferde witterten die Heimath und liefen lustiger dahin. Rechts hatten wir das Schwarzholz, in dem wir vor drei Wintern das fürchterliche Rauschen des Eissturzes zuerst gehört hatten, und vor uns war der Thaugrund, dem wir uns näherten. - Rascher rollte der Wagen, als wir diesen Wald erreicht hatten, auf der

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