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Die Mappe meines Urgrossvaters

Die Mappe meines Urgrossvaters

Titel: Die Mappe meines Urgrossvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Getreidefeldern zu ihm hinzu, und dann in einem geschlängelten Gange auf ihn hinauf. Aus der Ursache, weil er so wunderlich war, und weil man die Anlagen auf ihm gemacht hatte, ist der Fels der Platz der Pirlinger Volksfeste geworden. Im Sommer sind alle Sonntage Leute draußen. Meistens hört man auch da das Knallen der Büchsen, wie auf die Scheiben geschossen wird, und manchmal tönen darunter Waldhörner oder andere Musik. Auf dem Gipfel flattern die bunten Windfahnen der Schützen, und man sieht die weißen Tücher und Kleider der Pirlinger Frauen und Mädchen zwischen dem Grau der Steine und dem dunkeln Grün der Bäume schimmern. Zuweilen sind größere Schützenfeste; dann kommen Leute aus den benachbarten Ortschaften herzu, und mancher reist noch aus weiteren Entfernungen nach Pirling, um in dem Schützenkampfe ein Theilnehmer zu sein.
    Als ich von meiner kleinen Reise, auf die man mich zu einer ärztlichen Berathung gerufen hatte, zurück gekehrt war, fuhr ich an dem Tage vor dem Scheibenschießen, das heuer wieder abgehalten werden sollte, in Geschäften nach Pirling. Ich traf den ganzen Marktflecken in Vorbereitungen zu dem morgigen Tage. Als ich auf der oberen Straße, die von den Eidunhäusern herab führt, durch das Thor hereingefahren, und bis zu dem Marktplatze und dem obern Wirthshause gekommen war, schwenkten meine Rappen, welche gewohnt waren, daß ich sie da stehen lasse, gleichsam von selbst auf den Platz vor dem Wirthshause hinum, und hielten da an. Ich stieg aus, und befahl dem Thomas, daß er bei den Thieren bleiben und auf sie Acht haben solle, weil sie noch jung seien und sich leicht schreckten. Er führte die Pferde und den Wagen ein wenig seitwärts an die Mauer des Hauses, um dort, wie gewöhnlich, auf mich zu warten. Der Wirth stand auf der Gasse und hatte sein grünes Barett auf. Vor ihm wurde ein sehr schöner langhaariger weißer Bock gewaschen. Es wuschen mit Seife drei Knechte an ihm, und der Wirth beaufsichtigte die Sache. Als ich ausgestiegen war, that er sein Barett ab, grüßte mich und sagte: »Seid ihr wieder glücklich zurück gekommen, Doctor, glücklich zurück? Seht so muß man seine Sache waschen und reinigen lassen, ich bin heuer Schützenmeister, und der Bock ist ein Preis. Der Tanz ist bei dem untern Wirthe. Ihr kennt ja die Sitte: wenn auf den einen Wirth das Schützenamt fällt, ist der andere Tanzgeber; sonst wechseln wir ab. Gestern habe ich die Thaler mit Seife und einer Zahnbürste gewaschen, und sie darauf mit Wolle und Kreide geputzt. Sie werden heute gefaßt. Ihr werdet uns wohl auch auf dem Steinbühel die Freude machen, Herr Doctor, nicht wahr, ihr werdet?«
    »Wenn ich geladen bin,« antwortete ich.
    »Muß ja die Schützenkanzlei schon herum geschickt haben,« sagte er, »muß ja schon herum sein. Seht, der untere Wirth thut auch schon seine Schuldigkeit.«
    Ich sah in diesem Augenblicke den alten ernsthaften Bernsteiner mit einem großen Wagen voll Tannenreiser die obere Gasse herein fahren, wahrscheinlich zu Triumphbogen, Ehrensäulen und dergleichen. Er grüßte mich recht freundlich, da er mich sah, und seine drei Söhne, die mit Hacke und Streumesser neben dem Wagen her gingen, hatten ebenfalls die fröhlichsten Angesichte, und grüßten ehrerbietig herüber.
    Als ich das kleine Gläschen Wein, welches mir der Wirth jedesmal aufnöthigt, von dem Teller seines Töchterleins genommen und getrunken hatte, schickte ich mich an, meine Kranken zu besuchen, derentwillen ich herein gekommen war. Ich nahm mein Rohr und verschiedene andere Dinge aus dem Wagen, und machte mich auf den Weg.
    Die Kranken waren nicht von Bedeutung, und gerade die übel zu werden gedroht hatten, hatten sich gebessert; aber da ich so herum kam, sah ich erst recht das Rüsten zu dem morgigen Tage. Der Kaufherr des Ortes, der wohlhabenste Mann, ein Mann in vorgerückten Jahren, stand auf der Gasse, und that sein Barett ab, und grüßte die Vorübergehenden. Ich trat in sein Haus ein, obwohl kein Kranker darinnen war. Da sah ich Mädchenkleider herrichten, und auf dem Gange hinten Büchsen putzen. Der Marktschreiber im Hause daneben hatte sein schönes Gewand auf den hölzernen Gang des Hauses in die Sonne gehängt, und die Schuhe daneben gestellt. Bei der Tischlerei waren Scheiben, bretterne Gestalten, und andere Holzdinge. Unter dem Säulengewölbe vor dem Rathhause zählten sie, der Schützenschreiber und mehrere andere, große eiserne Stifte auseinander, die zum Schießen

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