Die Mappe meines Urgrossvaters
Student, wenn ich die Herbstfeiertage zu Hause zubrachte, niemals einschlug, sondern gerade aufwärts kletternd durchschnitt.
Als ich bis zu dem Schießstande empor gekommen war, trat ich ein. Es mußte eben ein guter Schuß gethan worden sein, wie ich aus dem Krachen des Feldmörsers, den man aufgestellt hatte, und aus dem Jauchzen des Schützenzielers vernahm. Der Stand hatte das gewöhnliche Aussehen, wie es an solchen Tagen ist. Zwei lagen vorne mit ihren Büchsen am Schießbaume und zielten und warteten - andere standen hinter ihnen in Bereitschaft, wenn sie abgeschossen hätten und weggegangen wären, einzutreten - wieder andere waren noch weiter zurück, und arbeiteten an ihren Büchsen, um sie zurecht zu richten - der alte Bernsteiner wischte sein schlechtes Gewehr, und schleuderte die schwarzen Lappen seitwärts. Wenn man es mir auch nicht gesagt hätte, daß er bisher den besten Schuß gethan habe, so hätte ich es doch aus seinem freudigen Gesichte errathen. Auch den oberen Wirth sah ich, den Forstmeister, den Marktschreiber und viele andere Bekannte.
Es streckten sich mir mehrere Hände, und wie es bei uns gebräuchlich ist, manches Glas zum Grusse entgegen. Ich dankte nach den verschiedenen Seiten und that Bescheid. Und als ich die Einladung, daß ich doch heute auch mit schießen möge, mit den Worten abgelehnt hatte, daß ich nicht mehr so schießen könne, wie in meinen Schuljahren, und daß mir meine Geschäfte auch keine Uebung erlauben: schaute ich die Anstalten an. Die hölzernen Säulen des Standes waren mit Flittern umwunden. Auf dem Gipfel des Gebäudes hing die schwere große Schützenfahne nieder, zum Unterschiede der schmalen langen, die über den Baumwipfeln des Felsens flatterte. Alle Nadeln und Finger der Pirlinger Mädchen hatten daran gearbeitet, und hatten breite feurige Bänder dazu gegeben. Die Hinterwand des Saales war mit berühmten Scheiben der Vergangenheit bedeckt. Ich erkannte beinahe mit Herzklopfen manche darunter aus meiner Kindheit, und andere, in denen noch die Löcher meiner eigenen einstigen Kugeln waren. Unter den Scheiben saßen solche, die da aßen und tranken, lauter Männer; denn die Frauen und Mädchen durften während des Schießens nicht herein. Auf einem lichtgrün angestrichenen Gerüste, das seitwärts des Schützenschreiberhäuschens war, stand, von einem Geländer umfangen, daß er nicht herab könne, der blüthenweiße langhaarige Bock des oberen Wirthes. Die Spitzen seiner Hörner waren vergoldet, und zwischen denselben trug er einen großen aufrechten Kranz aus Blumen und Bändern eingeflochten, in welchem Kranze wieder sieben eingefaßte leuchtende Thaler zu sehen waren. Von dem Kopfe des Thieres hingen überdies noch Bänder und Fransen herab, und in die schön gekämmte Mähne und in den Bart waren zuletzt noch seidene rosenrothe Schleifen gebunden. Hinter dem Bocke, auf einem Pfeiler ins Kreuz gesteckt, war der zweite Preis: zwei himmelblaue Seidenfähnlein mit eingewirkten Goldstücken. Dann war ein Blumenstrauß, aus lauter kleinen Silbermünzen zusammen gesetzt. Er stand in einem Geschirre auf einem Tischlein. Zuletzt war ein mit Bein und Perlenmutter eingelegtes Horn, zum Aufbewahren des Pulvers. Dasselbe hing mit einem zierlichen Bande gebunden an einem Baumaste. Außerhalb des Schießhauses, weil sie ebenfalls nicht hinein durften, standen dicht gedrängt die Pirlinger Buben, und staunten, wie einstens ich selber, den Bock, die Schützen und die anderen Sachen an. Ein wenig weiter weg war in die Zweige mehrerer neben einander stehender Föhren ein Gerüste gebaut worden, auf welchem, in den Wald der Nadeln eingehüllt, die Hornbläser saßen, und die eingelernten Stücke von Zeit zu Zeit vernehmen ließen. In dem Schießhause waren auch Trompeten, die auf jeden glücklichen Schuß in lustiger Weise tönten.
Als ich alles eine Weile angeschaut hatte, trat ich wieder unter die Bäume hinaus. Ich hatte mir vorgenommen, ehe ich in das Gezelt ginge, und nach dem Obristen forschte, den Gipfel des Felsens zu besuchen, um den eine so reine und klare Umsicht liegt. Ich hatte sie schon lange nicht gesehen, und wollte sie ein wenig anschauen. Ich trat unter die Bäume hinaus, und es wehte mich eine duftende Waldluft an, die gegen den Pulverrauch recht angenehm wirkte. Ich ging an mehreren sehr jungen Mädchen vorüber, die eine hölzerne, an einer Schnur hängende Taube nach einem Ziele stoßen ließen - ich ging dann an einer Rasenbank vorbei, auf
Weitere Kostenlose Bücher