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Die Mappe meines Urgrossvaters

Die Mappe meines Urgrossvaters

Titel: Die Mappe meines Urgrossvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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trägt, die der Knecht von der Abendschwemme zurück bringt. - Manch rother Pfeil der Abendsonne schießt durch die Zimmer, und zeigt mir ihre Größe und Leere. Das Schreibgerüste ist fertig, und auf seinem hölzernen Himmel sitzt nun allein der ausgestopfte Luchs, den man erlegt und mir zum Geschenke gebracht hat.
    Und dann nehme ich an Nachmittagen ein Buch, gehe durch den Hof, wo Hühner und Geflügel sind, durch den Garten voll Sperlingsgeschrei, die meine Kirschen stehlen, hinaus in die Felder, wo meine Erndte reift - ein viel zu großes Feld für mich Einzelnen - bis ich in den Wald gelange, bei dessen Birken ich jetzt wieder gerne bin, und der mir die Gedanken leicht und stille aus dem Buche lesen läßt und mir neue gibt.
    So steht und gedeiht alles. Meine Kranken genesen. Der untere Aschacher, dessen Fuß so fürchterlich geschält war, geht wieder lustig und krückenfrei herum. Ich vermag in die fernsten Gegenden zu wirken - und es wird das frevle Wort immer weniger wahr, das ich einmal niedergeschrieben habe: »Einsam, wie der vom Taue gerissene Anker im Meere, liegt mir das Herz in der Brust.«
    Ich habe das Wort nicht in dieses Buch eingetragen, weil ich mich schämte.
    Das Wort wird immer weniger wahr, und das Herz liegt nicht mehr so. Wenn einige gute Kräfte thätig sind, schaut das Herz zu, und es kann nicht anders, es muß ja vergnügt darüber sein.
    Auch kleine Dinge erscheinen, die mich freuen. Morgen kommt der geschnitzte lange Schrein, der in das Schreibgemach gestellt wird - der Kreuzenzian, den ich in dem Garten versuchte, gedeiht recht gut, und die Mägde müssen ihn morgen jäten - und so ist noch Anderes und Anderes - manches Liebliche und manches Heitere.
     
     

6. Das Scheibenschießen in Pirling
     
    Ich bin mehrere Tage zitternd, bebend, zu Gott betend gewesen. Wenn ich auf und nieder ging, legte ich die Hände auf die Brust, daß sie ruhig sei. Wie ernst und schwer oft Fälle des menschlichen Lebens sind! Es ward ein schöner starker Jüngling zu mir gebracht und lag in meinem Hause. Sie hatten ihm auf eine kleine Wunde, die er sich durch Zufall in die Brust geschlagen hatte, Pflaster von Pech und andern Klebedingen gelegt, und ihn an den Rand des Grabes gebracht. Als ihnen die Sorge stieg, brachten sie ihn von weit jenseits des Hochwaldes, wo ich noch nie gewesen war, zu mir herüber. Ich legte ihn in das grüne Zimmer, weil es meiner Stube am nächsten ist. Ich entfernte alle Afterdinge, Unglücksbildungen und bereits begonnene Zerstörungen, bis es mich selbst schauerte - ich hatte Vater und Mutter nicht zugelassen, damit sie durch Schreien oder Gejammer nicht die Ruhe zerstörten, - das Messer ward durch die Wissenschaft immer weiter geführt - - ich empfahl meine Seele Gott - und thats. Als ich fertig war, war sehr vieles, und an einer Stelle schier alles weg, so daß ich an dieser Stelle durch das einzige innerlich gebliebene Häutchen die Lunge wallen sehen konnte. Ich sagte nichts, ging hinaus, und sendete Vater und Mutter heim. Dann ging ich wieder hinein, und führte die Sache weiter. Ich war ganz allein, und hatte niemanden, der mir helfen konnte. Ich gab dem Kranken nur das Wenigste zu essen, daß er nicht erhungere, damit die Glut der Entzündung nicht komme und zerstöre. Er lag geduldig da, und wenn seine ruhigen und unschuldigen Augen, da ich an ihm vorbeiging, auf meinem Angesichte hafteten, wußte ich, wie viel meine Miene werth sei, und bat Gott, daß er sie gelassen zeige. Kein einziger Mensch wußte, wie es sei. Nur den Obristen führte ich einmal hinein und zeigte ihm die Sache. Er sah mich sehr ernst an. Weil der Jüngling stark und wohlgebildet war, erschienen nach wenigen Tagen schon die ersten Spuren der Genesung, und in Kurzem war sie in vollem Gange. Da das war, dann hatte ich die Bäume, die Wälder, das Firmament und die äußere Welt wieder. Vor der Festigkeit der Pflicht, wie sinkt jedes andere Ding der Erde zu Schanden nieder! - Nach gar nicht langer Zeit war er völlig gesund, und ich konnte ihn zu seinen Eltern über den Wald hinüber senden. - - -
    Bald darauf hat sich etwas recht Liebes und Schönes zugetragen.
    Die Halme unseres Kornes hatten sich zur Reife geneigt, die heißeste Waldsonne, welche alle Jahre um diese Zeit über unsern Häusern zu stehen pflegt, war schon eine etwas kühlere geworden - die Gerste, die in unserer Gegend ganz besonders gedeiht, lag schon gefällt auf den Aeckern in den gewöhnlichen Mahden wie in goldenen Zeilen

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