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Die Mars-Chroniken

Die Mars-Chroniken

Titel: Die Mars-Chroniken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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passiert, können Sie schnell abhauen. Ein Verlust von drei Männern ist nicht so schlimm, als wenn das ganze Schiff verlorengeht. Wenn wirklich etwas Schlimmes passieren sollte, kann unsere Mannschaft auch die nächste Rakete warnen. Es wird Kapitän Wilders Rakete sein, die zu Weihnachten startet. Wenn es wirklich feindliche Elemente auf dem Mars gibt, dann sollte die nächste Rakete gut bewaffnet sein.«
    »Das sind wir doch auch. Wir haben eine Standardausrüstung an Bord.«
    »Sagen Sie den Männern, sie sollten auf Gefechtsstationen gehen. Kommen Sie, Lustig, und Sie auch, Hinkston.«
    Die drei Männer kletterten gemeinsam zum Ausstieg des Schiffs hinab.
     
    Es war ein herrlicher Frühlingstag. In einem blühenden Apfelbaum saß ein Rotkehlchen und zwitscherte unermüdlich. Blütenblätter taumelten wie Schneeflocken zu Boden, wenn der Wind die grünen Äste berührte, und intensiver Blütenduft erfüllte die Luft. Irgendwo in der Stadt spielte jemand auf einem Klavier, und die Musik wurde lauter und leiser und lauter und leiser, sanft, einschläfernd. Das Lied hieß ›Schöner Träumen‹. Aus einer anderen Richtung ertönte kratzig und leise die Fonographen-Aufnahme von ›Spaziergang im Abenddämmer‹, gesungen von Harry Lauder. Die drei Männer standen vor dem Schiff. Keuchend atmeten sie die sehr dünne Luft ein und gingen nur langsam, um sich nicht zu überanstrengen.
    Jetzt wurde eine andere Platte auf dem Fonographen gespielt:
    Oh, denk dir die Juninacht,
    Dazu des Mondes Macht – und dich…
     
    Lustig begann zu zittern. Auch Samuel Hinkston konnte nicht mehr an sich halten.
    Der Himmel war klar und ruhig, und in der Nähe plätscherte ein kleiner Bach durch die Schatten der Bäume und kühlen Tiefen eines Grabens. Irgendwo trottete ein Pferd mit einem klappernden Wagen.
    »Sir«, sagte Samuel Hinkston heiser, »es muß wohl sein, es muß einfach so sein, daß es schon vor dem Ersten Weltkrieg Raketenflüge zum Mars gab.«
    »Unsinn!«
    »Wie lassen sich dann die Häuser, der Bronzehirsch, die Klaviere und die Musik erklären?« Hinkston packte den Kapitän am Ellenbogen und sah ihm ins Gesicht. »Nehmen wir einmal an, es gab im Jahre 1905 Menschen, die den Krieg haßten und sich heimlich mit einigen Wissenschaftlern zusammentaten und eine Rakete bauten und hier zum Mars…«
    »Nein, nein, Hinkston. Hören Sie auf, das ist unmöglich.«
    »Warum nicht? Die Welt von 1905 war völlig anders; man hätte so etwas viel leichter geheimhalten können.«
    »Aber ein kompliziertes Ding wie eine Rakete, nein, die hätte sich nicht verheimlichen lassen!«
    »Und sie flogen hierher, und natürlich gleichen ihre Häuser hier den Häusern auf der Erde, weil sie natürlich auch ihre Kultur mitbrachten.«
    »Und sie haben hier die ganze Zeit gelebt?« fragte der Kapitän.
    »In Ruhe und Frieden, ja. Vielleicht sind sie mehrmals geflogen, damit sie schließlich ein ganzes Städtchen bevölkern konnten, und haben dann damit aufgehört, um nicht entdeckt zu werden. Und deshalb mutet die Stadt jetzt so altmodisch an. Ich sehe hier nichts, das nach 1927 entstanden sein könnte, oder irre ich mich? Vielleicht ist die Weltraumfahrt überhaupt älter, als wir glauben, Sir. Vielleicht ist sie in irgendeinem Teil der Welt schon vor Jahrhunderten entwickelt worden, und die kleine Gruppe von Menschen, die zum Mars geflogen und seither nur von Zeit zu Zeit zur Erde zurückgekehrt ist, hat ihr Geheimnis bewahrt.«
    »Sie können einem das fast plausibel machen.«
    »Das muß die Lösung sein. Wir haben die Beweise hier überall; jetzt brauchen wir nur noch ein paar Leute zur Bestätigung.«
    Im dichten grünen Gras wurde das Geräusch ihrer Schritte gedämpft. Die Wiese roch wie frisch gemäht. Gegen seinen Willen spürte Kapitän John Black, wie ihn eine große Ruhe überkam. Dreißig Jahre war es her, seit er in einem solchen Städtchen gewesen war, und das Surren der Bienen beruhigte ihn, und die frühlingshafte Frische ringsum war Balsam für seine Seele.
    Sie betraten die Veranda. Hohl dröhnten die Dielenbretter, als sie sich der Gazetür näherten. Drinnen war ein Schnurvorhang zu erkennen, der vor dem Durchgang zum Hausflur hing, und ein kristallener Kronleuchter und ein Bild von Maxwell Parrish an der Wand über einem bequemen Morris-Stuhl. Das Haus roch alt und nach Dachboden und unendlich gemütlich. Das Klirren von Eisstückchen in einem Limonadekrug war zu hören. In irgendeiner Küche bereitete jemand ein kaltes

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