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Die Mars-Chroniken

Die Mars-Chroniken

Titel: Die Mars-Chroniken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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marsianische Steinfigur. »Mädchen!« sagte er geringschätzig.
    »Kommen sie auch in einer Rakete?«
    »Ja. Wenn sie es schaffen. Familienraketen sind eigentlich nur für Flüge zum Mond gedacht, nicht zum Mars. Wir haben Glück gehabt.«
    »Woher hattest du die Rakete?« flüsterte Timothy; die anderen Jungen waren vorausgelaufen.
    »Ich hatte sie versteckt, zwanzig Jahr lang, Tim. Ich versteckte sie in der Hoffnung, daß ich sie nie würde benutzen müssen. Eigentlich hätte ich sie der Regierung zum Kriegseinsatz aushändigen müssen, aber ich mußte immer wieder an den Mars denken…«
    »Und an das Picknick!«
    »Ja. Behalt das für dich. Als ich erkannte, daß es auf der Erde zu Ende ging, wartete ich noch bis zum letzten Moment, ehe wir starteten. Bert Edwards hatte ebenfalls ein Schiff versteckt, aber wir kamen überein, daß es vernünftiger wäre, getrennt zu starten, falls uns jemand abschießen wollte.«
    »Warum hast du die Rakete in die Luft gejagt, Paps?«
    »Damit wir niemals zurückkehren können. Und damit die bösen Menschen von der Erde nicht wissen, daß wir hier sind, wenn sie je zum Mars kommen.«
    »Schaust du deshalb andauernd in den Himmel?«
    »Ja, eine dumme Angewohnheit. Sie werden uns nicht folgen, niemals. Denn sie haben nichts, womit sie fliegen könnten. Ich bin nur übervorsichtig.«
    Michael kam zurückgerannt. »Ist das wirklich unsere Stadt, Paps?«
    »Kinder, uns gehört der ganze verdammte Planet. Der ganze verdammte Planet.«
    Und da standen sie, Könige der Berge, Herrscher aller Reußen, Herrscher über das Land, soweit sie schauen konnten, unantastbare Monarchen und Präsidenten, und versuchten zu verstehen, was es bedeutete, eine Welt zu besitzen – und welch riesige Welt außerdem!
    In der dünnen Atmosphäre zog schnell die Nacht herauf, und Paps ließ seine Familie auf dem Platz bei der sprudelnden Fontäne allein, ging zum Boot und kehrte mit einem dicken Papierstapel zurück.
    Er warf die Papiere unachtsam auf einen alten Hof und steckte sie in Brand. Die Familie rückte möglichst nahe an das Feuer heran und lachte, und Timothy sah die kleinen Buchstaben wie erschreckte Tiere davonhüpfen, als die Flammen sie berührten und umschlossen. Das Papier schrumpfte ein wie die Haut alter Menschen, und das Feuer fraß unzählige Worte:
    »Staatliche Anleihe; Entwicklungstrends 1999; Religiöse Vorurteile: ein Essay; Die logistischen Wissenschaften; Probleme der Panamerikanischen Union; Börsenbericht für den 3. Juli 1998; Das Kriegshandbuch…«
    Paps hatte darauf bestanden, die Papiere mitzunehmen – einzig und allein für diesen Zweck. Er hockte am Boden und schob sie zufrieden ins Feuer, eins nach dem anderen, und er erklärte seinen Kindern, was das alles bedeutete.
    »Es wird Zeit, daß ich euch einiges erkläre. Vermutlich war es nicht fair, euch soviel vorzuenthalten. Ich weiß nicht, ob ihr es überhaupt versteht, aber ich muß mich mal aussprechen, selbst wenn ihr mich nicht ganz begreift.«
    Er ließ eine Handvoll Blätter ins Feuer fallen.
    »Ich verbrenne hier einen Lebensstil, so wie dieser Lebensstil in diesem Augenblick auch auf der Erde von den Flammen ergriffen wird. Verzeiht mir, wenn ich wie die Politiker rede. Immerhin bin ich ein ehemaliger Gouverneur, der wegen seiner Ehrlichkeit gehaßt wurde. Das Leben auf der Erde hat zu keinem Zeitpunkt etwas wirklich Gutes bewirkt. Die Wissenschaften eilten uns zu schnell davon, und die Menschen gingen in dem selbstgeschaffenen technischen Dschungel verloren wie Kinder, die sich an schönen Dingen erfreuten, an mechanischen Spielsachen, Hubschraubern, Raketen; sie betonten die falschen Dinge, legten das Schwergewicht auf die Maschinen und übten sich nicht in der Kunst, diese Maschinen zu bedienen. Die Kriege wurden immer schrecklicher und haben die Erde schließlich zugrunde gerichtet. Das hat es mit dem stummen Radio also auf sich. Und davor sind wir geflohen.
    Wir haben Glück gehabt. Es gibt nicht mehr viele Raketen. Langsam müßt ihr euch klar darüber werden, daß dies kein Angelausflug ist. Ich habe meine Erläuterungen lange hinausgeschoben. Die Erde gibt es nicht mehr. Mit der interplanetarischen Raumfahrt ist es für Jahrhunderte vorbei, vielleicht sogar für immer. Schuld daran trägt dieser Lebensstil, der sich als falsch erwiesen hat und der schließlich von eigener Hand starb. Ihr seid jung. Ich werde euch diese Wahrheit jeden Tag wiederholen, bis ihr sie wirklich begriffen habt.«
    Er schwieg

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