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Die Mars-Chroniken

Die Mars-Chroniken

Titel: Die Mars-Chroniken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Sonnenlicht waren Stimmen zu hören, dann ein lautes Hallo.
    »Was ist das?« fragte Hinkston.
    »Stellen wir gleich mal fest.« Kapitän John Black eilte zur Tür und rannte über den grünen Rasen auf die Straße hinaus.
    Er sah zur Rakete hinüber. Dort standen alle Schotts offen, und seine Mannschaft strömte winkend heraus. Zahlreiche Menschen hatten sich versammelt, und seine Männer eilten in die Menge und redeten und lachten und schüttelten Hände. Die Rakete blieb leer und verlassen zurück.
    Eine Blaskapelle explodierte im Sonnenlicht und schmetterte ein fröhliches Lied aus Baßtuben und Trompeten. Trommeln dröhnten und Pfeifen schrillten. Kleine Mädchen mit goldenem Haar hüpften aufgeregt auf der Stelle. Kleine Jungen brüllten »Hurra!« Dicke Männer teilten Zehn-Cent-Zigarren aus. Der Bürgermeister hielt eine Rede. Und dann wurden die Mannschaftsmitglieder, flankiert von Eltern oder Geschwistern, die Straße hinabgeführt und verschwanden in kleinen Villen oder großen Häusern.
    »Halt!« rief Kapitän Black.
    Die Türen wurden zugeschlagen.
    Die Hitze stieg in den klaren Frühlingshimmel, und es war wieder still. Die Blaskapelle verschwand lärmend um eine Ecke und ließ die Rakete einsam blitzend und schimmernd zurück.
    »Verlassen!« sagte der Kapitän. »Sie haben das Schiff tatsächlich verlassen! Das kostet sie den Kopf, bei Gott! Sie hatten ihre Befehle!«
    »Sir«, sagte Lustig, »seien Sie nicht so streng mit ihnen. Sie haben Verwandte und Freunde wiedergetroffen.«
    »Das ist keine Entschuldigung!«
    »Überlegen Sie doch, wie ihnen zumute gewesen sein muß, als sie draußen vor dem Schiff all die vertrauten Gesichter sahen!«
    »Verdammt, sie hatten aber ihre Befehle!«
    »Wie wäre es Ihnen selbst ergangen, Kapitän?«
    »Ich hätte die Befehle befolgt…« Dem Kapitän blieb der Mund offenstehen.
    Auf dem Bürgersteig unter der marsianischen Sonne kam ein junger, etwa sechsundzwanzigjähriger Mann auf ihn zu, groß, lächelnd, mit erstaunlich hellblauen Augen. »John!« rief der Mann und begann zu laufen.
    »Was?« Kapitän John Black schwankte.
    »John, alter Schurke!«
    Der Mann kam heran, ergriff seine Hand und schlug ihm auf die Schulter.
    »Bist du es wirklich?« fragte Kapitän Black.
    »Natürlich, wer sonst?«
    »Edward!« Der Kapitän, der noch immer die Hand des Fremden umklammert hielt, wandte sich an Lustig und Hinkston. »Das ist mein Bruder Edward. Ed, das sind zwei von meinen Leuten, Lustig und Hinkston. Mein Bruder!«
    Sie klopften einander auf die Schulter, drückten sich die Hände und umarmten sich schließlich. »Ed!« – »John, alter Knabe!« – »Du siehst prächtig aus, Ed, aber was geht hier eigentlich vor? Du hast dich in all den Jahren überhaupt nicht verändert. Ich weiß noch, du bist mit sechsundzwanzig gestorben; damals war ich neunzehn. Himmel, so viele Jahre ist das her, und da stehst du plötzlich vor mir. Mein Gott, was geht hier vor?«
    »Mama wartet«, sagte Edward Black lächelnd.
    »Mama?«
    »Und Paps natürlich auch.«
    »Paps?« Der Kapitän zuckte wie unter einem Hammerschlag zusammen. Seine Bewegungen bekamen mit einemmal etwas Steifes, Unkontrolliertes. »Mama und Paps leben hier? Wo?«
    »Im alten Haus an der Oak Knoll Avenue.«
    »Das alte Haus.« Der Kapitän blickte in entzücktem Staunen um sich. »Lustig, Hinkston, haben Sie das gehört?«
    Aber Hinkston war schon verschwunden. Er hatte weiter unten an der Straße das Haus seiner Familie entdeckt und lief darauf zu. Lustig lachte: »Merken Sie jetzt, Kapitän, was mit den Jungs in der Rakete passiert ist? Sie konnten einfach nicht anders.«
    »Ja, ja.« Der Kapitän kniff die Augen zusammen. »Wenn ich jetzt die Augen wieder aufmache, bist du verschwunden.« Er blinzelte. »Du bist immer noch da. Himmel, Ed, wie gut du aussiehst!«
    »Komm, das Mittagessen wartet. Ich habe Mama schon Bescheid gegeben.«
    Lustig sagte: »Sir, wenn Sie mich brauchen, bin ich bei meinen Großeltern.«
    »Was? O ja, natürlich, Lustig. Dann bis später.«
    Edward nahm seinen Arm und zog ihn mit sich. »Da ist das Haus. Erinnerst du dich?«
    »Und ob! Wetten, daß ich’s als erster zur Veranda schaffe?«
    Sie rannten los. Die Bäume brausten über Kapitän Blacks Kopf dahin, die Erde dröhnte ihm unter den Füßen. Wie in einem erstaunlich wirklichkeitsnahen Traum sah er Edwards leuchtende Gestalt an sich vorbeiziehen. Er sah das Haus auf sich zukommen, dessen Tür weit geöffnet war.
    »Gewonnen!«

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