Die Mars-Chroniken
Ihre Lieblingsdichterin, ich erinnere mich…«
Leise Regen werden kommen und frischer Duft,
und Schwalben werden jagen hoch in der schimmernden Luft,
Und Froschkonzerte wird’s geben am Wasser in der Nacht,
Und Bäume werden blühen in ihrer kalten Pracht,
Und Rotkehlchen werden sitzen in feurigem Federkleid
auf niedrigen Zäunen und zwitschern, als gäbe es kein Leid.
Denn sie alle wissen, sei es Tier oder Baum
nichts vom Krieg, sie bemerken ihn kaum.
Und wäre auch nicht ein Mensch mehr auf Erden,
Was sollte für sie wohl anders werden?
Ja ahnt der Frühling, der erwacht,
daß wir verschwanden über Nacht?
Das Feuer flackerte im steinernen Kamin, und die Zigarre verbrannte in der Schale zu einem Aschehaufen. Die leeren Stühle standen zwischen den stummen Wänden und sahen sich an, und es spielte Musik.
Um zehn Uhr schlug die Todesstunde des Hauses.
Der Wind draußen war zum Sturm geworden. Ein fallender Baum krachte durch das Küchenfenster und ließ einige Flaschen Reinigungslösung auf dem Herd zerschellen. Augenblicklich stand der Raum in Flammen.
»Feuer!« kreischte eine Stimme. Im Haus blitzten Lichter, Pumpen ließen Wasser von der Decke rieseln. Doch die Lösung floß über das Linoleum und fraß und leckte sich unter der Küchentür hindurch, während die Stimmen zum Chor wurden: »Feuer, Feuer, Feuer!«
Das Haus versuchte sich zu retten. Türen schlossen sich, doch die Fenster zersprangen unter dem Ansturm der Hitze, und der Wind fachte das Feuer an, trieb es weiter.
Das Haus verlor an Boden gegenüber der Feuersbrunst, die in zehn Milliarden wütenden Funken mit tänzerischer Leichtigkeit von Zimmer zu Zimmer vordrang und schließlich auch die Treppe erfaßte. Unterdessen huschten Löschratten aus den Wänden, verspritzten ihr Wasser und rannten davon, um Nachschub zu holen, und die Wandsprenger erzeugten künstliche Regenschauer.
Aber es war zu spät. Irgendwo blieb seufzend eine Pumpe stehen. Der kühlende Regen hörte auf. Das Wasserreservoir, das an zahlreichen ruhigen Tagen die Badewannen und den Geschirrspüler gespeist hatte, war erschöpft.
Das Feuer knisterte die Treppe hinauf. Im oberen Flur fraß es Gemälde von Picasso und Matisse, verzehrte sie wie Delikatessen, schälte das ölige Fleisch ab und zerröstete die Leinwände zärtlich zu schwarzen Spänen.
Dann lag das Feuer in den Betten, stand an den Fenstern, veränderte die Farben der Vorhänge.
Dann kam Verstärkung.
Durch Bodenluken starrten blinde Robotergesichter herab, und aus ihren gähnenden Mäulern spritzte eine grüne Flüssigkeit.
Das Feuer wich zurück wie ein Elefant, dem die giftige Schlange trotz seiner Größe gefährlich werden kann. Gleich darauf waren es schon zwanzig Schlangen, die sich am Boden ringelten und das Feuer in einem kühlen klaren giftigen Schaumbad erstickten.
Aber das Feuer war schlau. Es hatte seine Flammen auch vor das Haus geschickt, zum Dachboden hinauf, zu den Pumpen. Das Gehirn unter dem Dach, das die Pumpen steuerte, explodierte; Metallsplitter zersiebten die Dachbalken.
Das Feuer drang sofort wieder vor, huschte in jeden Schrank und befühlte die Kleider, die dort hingen.
Das Haus erzitterte, seine Eichenknochen knirschten, sein freigelegtes Skelett wand sich in der Hitze, seine Leitungen, die Nerven, waren entblößt, als hätte ein Chirurg die Haut abgerissen, damit die roten Venen und Blutgefäße in der brennend heißen Luft erbeben konnten. Hilfe, Hilfe, Feuer! Lauft, lauft! Hitze ließ die Spiegel zerspringen wie dünnes Wintereis. Und die Stimmen wimmerten ihr Feuer, Feuer, lauft, lauft, wie einen tragischen Kinderreim; ein Dutzend Stimmen, laut und leise, wie Kinder, die im Walde sterben müssen, allein, allein. Und die Stimmen erstarben, als die Drähte wie heiße Kastanien aus ihren Umhüllungen sprangen. Eine, zwei, drei, vier, fünf Stimmen erstarben.
Im Kinderzimmer brannte der Dschungel. Blaue Löwen brüllten, purpurne Giraffen galoppierten davon. Die Panther liefen im Kreis und veränderten ihre Farbe, und zehn Millionen Tiere flohen vor dem Feuer auf einen fernen dampfenden Fluß zu…
Und wieder erstarben zehn Stimmen. In den letzten Momenten des gewaltigen Feuersturms waren auch andere Chöre zu hören, Vorrichtungen, die die Zeit ansagten, Musik spielten, die ferngesteuert den Rasen mähten oder in wilder Hast einen Regenschirm durch die sich heftig öffnende und schließende Haustür hinausschafften und gleich wieder
Weitere Kostenlose Bücher