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Die Masken der Wahrheit

Die Masken der Wahrheit

Titel: Die Masken der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Unsworth
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Kästchen wieder zurück an seinen Platz unter dem Stroh. »Ich nehme die Hälfte als Bezahlung«, sagte sie. »Einen anderen Lohn hab’ ich ja nie gekriegt. Ich wußte, daß ich in unseren Stücken nicht mitwirken durfte, aber ich habe manches getan, was notwendig war und was kein anderer tun konnte, und ich dachte, ich würde dafür einen Platz in der Truppe bekommen. Doch ich bekam keinen Platz; ich mußte immer nur tun, was für euch gut war. Vorher wollte ich nie daran denken, doch als die Soldaten kamen und euch mitgenommen haben, ohne sich überhaupt mit mir abzugeben, da mußte ich mir Gedanken machen und hab’ erkannt, daß ich gar nichts galt.«
       »Für diese Männer nicht, nein.«
       »Für euch auch nicht«, sagte sie ganz selbstverständlich, als könnte es da gar keine Diskussion geben.
       Mir erschien es sonderbar und unlogisch und typisch für die weibliche Unvernunft, wie Margaret es übelnahm, daß ihr die Todesgefahr erspart geblieben war, und ausgerechnet uns die Schuld daran gab, die wir in diese Gefahr geraten waren. »Die anderen werden noch festgehalten «, sagte ich. »Sie sind noch in der Burg und müssen um ihr Leben bangen.«
       »Ich will nichts davon hören«, sagte sie. »Sie sind die Schauspieler, und es ist ihr Stück.«
       »Und was wirst du jetzt machen?«
       »Ich gehe zu Flint. Er ist heute um die Mittagszeit gekommen, um nach mir zu fragen. Die beiden Male, die wir zusammen waren, haben ihm gefallen. Er will mich bei sich aufnehmen. Und den Hund noch dazu. Flint meint, das Tier ist noch jung genug, ihn als Hütehund für die Schafe abzurichten. Der Wirt sagt, daß er sich ums Pferd kümmert. Der Halunke hofft natürlich drauf, daß keiner zurückkommt, um Anspruch auf das Tier zu erheben.«
       Ich glaubte nicht, daß der Hund Flints Erwartungen gerecht werden würde, und in dieser Hinsicht war ich mir auch bei Margaret nicht ganz sicher, aber natürlich verkniff ich mir jede Bemerkung zu diesem Thema. »Tja, dann«, sagte ich, »ich wünsche dir von ganzem Herzen Glück.«
       Sie lächelte leicht, ohne daß ihre Miene erkennbar weicher wurde, und einen Augenblick später trat sie zu mir und gab mir einen Kuß. »Geh zu deinem Bischof zurück. Es wäre das Beste für dich«, sagte sie.
       »Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Aber was die Frage betrifft, in die Theatertruppe aufgenommen zu werden und eine Rolle spielen zu dürfen – da wird dir die Geschichte von dem Teufel und dem Spieler vielleicht ein Trost sein. Kennst du sie?«
       Sie schüttelte den Kopf und gähnte auf eine Weise, die nicht gerade ermunternd wirkte. Doch ließ ich mich nicht beirren, weil ich der Ansicht war, daß die Geschichte wirklich etwas Tröstliches für Margaret haben mochte.
       »Die Sache hat sich zugetragen, bevor es Schauspieler gab, falls man sich eine solche Zeit überhaupt vorstellen kann. Der Teufel trieb sich in der Welt umher, und dabei stieß er auf einen Mann von sehr tugendhaftem Lebenswandel, den er in Versuchung führen wollte. Der Satan unternahm alles mögliche, um den Mann zu verleiten. Er lockte ihn mit Fleischeslust, mit den Schätzen der Welt, mit Ruhm und mit Macht. Doch standhaft wies der Mann dies alles zurück. Da wußte der Teufel sich keinen Rat mehr. Nur eine letzte Möglichkeit fiel ihm noch ein: Er unterbreitete dem Mann das Angebot, ihn zu einem Schauspieler zu machen, und der Mann sah nichts Schändliches dabei und erklärte sich einverstanden, und so unterlag er im Kampf gegen den Satan und verlor seine Seele; denn ein Schauspieler leiht sich stets kleine Stückchen von den Seelen anderer, und in der Folge löst seine eigene Seele sich von ihm und schlüpft ihm davon, und für den Teufel ist’s dann ein leichtes, sie sich anzueignen. So ist es bei den Schauspielern von Anfang an gewesen.«
       Margarets Reaktion auf diese Geschichte bekräftigte mich in meiner Überzeugung, daß Frauen keinen Sinn für abstrakte Gedankengänge haben.
       »Falls Stephen davonkommt, ohne gehängt zu werden«, erklärte sie, »dann sag ihm, daß Flint groß und stark ist und noch beide Daumen hat, in denen tüchtig Kraft steckt.«
       Ich versprach es ihr, und sie legte sich wieder zum Schlafen nieder. Ich saß mit dem Rücken zur Wand im Stroh und versuchte, darüber nachzudenken, was der Richter mir gesagt hatte. Der Baron mußte die Botschaft bereits erhalten haben – vielleicht trug er sie sogar irgendwo bei sich –, als er sich unser

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