Die McKettricks aus Texas: Über alle Grenzen (German Edition)
sah ihn funkelnd an.
„Sind wir uns darin einig?“, fragte er ruhig.
„Sind wir uns worin einig?“, gab sie in bissigem Ton zurück.
Austin seufzte. Er sah dünner aus als bei ihrer letzten Begegnung, und seine Augen leuchteten nicht mehr so intensiv. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie geglaubt, er würde Schmerzen leiden – vielleicht körperliche, vielleicht emotionale. Möglicherweise beides.
Er beugte sich vor und sprach sehr langsam und deutlich, als wäre sein Gegenüber ein Ausländer mit Sprachproblemen. „Ob es dir nun gefällt oder nicht, Silvester sind wir eine Familie, du und ich. Und ich tippe mal darauf, dass meine Brüder und deine Schwestern bis in alle Ewigkeit verheiratet sein werden.Uns stehen also eine Menge gemeinsamer Weihnachtsfeste, Thanksgivings und Geburtstagspartys bevor. Und das bedeutet …“
„Ich weiß, was das bedeutet“, schnitt Paige ihm das Wort ab. „Was soll dieser herablassende Ton?“
„Und was soll dieses Rumgezicke?“, konterte er. „Oh, stimmt! So bist du ja immer.“
So ungern sie es auch zugab und sosehr es sie auch ärgerte, Austin hatte leider recht.
Libby heiratete Tate. Julie heiratete Garrett. Tates Kinder, die Zwillinge Audrey und Ava, gehörten selbstverständlich bereits zur Familie. Das Gleiche galt für Julies kleinen Sohn Calvin. Und beide Paare wollten möglichst schnell weitere Kinder. Oh ja, es würde reichlich Geburtstagspartys geben.
„Können wir noch einmal von vorn beginnen?“, schlug Paige vor und versuchte, dabei gelassen zu klingen.
Austin betrachtete Paige mit einem Ausdruck feierlicher Heiterkeit, den nur er beherrschte. „Klar“, entgegnete er mit gespielter Großzügigkeit. „Nur zu, sag etwas Nettes – du kannst es. Tu einfach mal so, als wäre ich ein menschliches Wesen.“
Sie wandte den Blick ab, und eine tiefe, unerklärliche Traurigkeit überkam sie. „So kommen wir nicht weiter“, erklärte sie.
Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen, bevor sie langsam weiterlief. Dann nahm Austin ihre Hand und streichelte mit dem Daumen ihre Fingerknöchel. Ein heißer Schauer überlief sie. Ebenso gut hätte er sie an all jenen intimen Stellen streicheln können, die kein anderer je entdeckt hatte.
„Du hast recht“, sagte er ein wenig heiser. „So kommen wir nicht weiter. Lass es uns versuchen – miteinander klarzukommen, meine ich.“
Er sah aufrichtig aus. Er klang aufrichtig.
Sei auf der Hut, ermahnte Paige sich im Stillen und straffte die Schultern. „Einverstanden.“
In der darauf folgenden erneuten Stille versuchte sie sich auszumalen, wie ein Waffenstillstand zwischen ihnen tatsächlich aussehen würde. Immerhin waren sie seit jener Sommernacht zerstritten. Es war kurz nach ihrem Highschool-Abschluss gewesen, als Paige diesen hinterhältigen Lügner und Mistkerl dabei ertappt hatte …
Sie atmete erneut tief durch und löste sich gedanklich von der Vergangenheit – zumindest so gut sie konnte.
Austin und sie waren zufällig zusammengekommen. Tate und Libby waren eines Freitagabends ins Kino gegangen, und dazu hatte Tate zähneknirschend seinen kleinen Bruder mitgebracht. Paige hatte den Eindruck gehabt, dass seine Eltern darauf bestanden hatten und Tate gegen eine Abmachung verstoßen würde, wenn er es nicht tat.
Sie hatte es sich schon in einem Lehnsessel bequem gemacht und ein Buch gelesen, als Austin seinen sagenhaften Charme bei ihr spielen ließ. Er schenkte ihr sein verwegenes Lächeln und fragte sie, ob sie Lust aufs Kino hätte.
Danach waren sie so unzertrennlich gewesen wie Libby und Tate.
Anfangs glaubte sie, er spiele irgendein Spiel mit ihr, doch nach einigen Monaten waren sie ein Paar. Nach einem Jahr nahm Paige die Pille, und sie schliefen miteinander.
Sie verlor ihre Jungfräulichkeit – na schön, sie schenkte sie ihm, zusammen mit ihrem Vertrauen und ihrem Herzen.
Und dann betrog er sie.
Aber all das war vor über zehn Jahren passiert, bevor seine Eltern bei diesem schrecklichen Autounfall getötet worden waren und ihr eigener Dad an Krebs gestorben war. So vieles war seitdem passiert, und Paige war es müde, Austin gegenüber einen Groll zu hegen.
„Hast du vorhin schlecht geträumt?“, erkundigte Austin sich.
„Wie bitte?“
„Als ich dich aufgeweckt habe.“
„Ja.“ Sie lächelte kurz. „Danke noch mal.“
Er grinste, was ein flaues Gefühl in ihrem Magen auslöste, griff nach seiner Bierdose und prostete ihr damit beiläufig zu.
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