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Die Mehrbegabten

Die Mehrbegabten

Titel: Die Mehrbegabten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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zu gut, als daß irgendein Alter Mensch ihnen hätte folgen können. Wo sie ein Bündel greller Lichter balancierten, hantierte ein Alter Mensch nur mit einem. Manche Handlungen, auf Gedankenabläufen beruhend, denen kein Alter Mensch zu folgen vermochte, hatten überhaupt keine Entsprechung mehr unter der früheren Version der menschlichen Gattung.
    »Schau dir die Schlagzeile an.« Bob war vor einem Zeitungsgestell stehengeblieben.

    »FESTNAHME PROVONIS ALS BEVORSTEHEND GEMELDET«

    Nick las sie ohne Interesse; er glaubte es nicht, und im Grunde kümmerte es ihn auch gar nicht. Für ihn gab es Thors Provoni nicht mehr, ob nun festgenommen oder nicht. Aber Bobby schien von der Nachricht fasziniert zu sein. Fasziniert – und abgestoßen.
    »Die fangen Provoni nie«, sagte Bobby.
    »Sei nicht so laut«, meinte Nick, den Mund dicht an Bobbys Ohr. Er war zutiefst beunruhigt.
    »Was kümmert es mich, ob mich jemand hört«, sagte Bobby hitzig. Er deutete auf die Ströme von Männern und Frauen, die an ihnen vorbeizogen. »Die sind sowieso alle meiner Meinung.« Er funkelte seinen Vater zornig an.
    »Als Provoni das Weite suchte und das Sonnensystem verließ«, sagte Nick, »verriet er die ganze Menschheit, die Mehrbegabten und – die anderen.« Er glaubte fest daran. Sie hatten oft darüber gestritten, waren aber nie fähig gewesen, ihre widersprüchlichen Meinungen über den Mann, der versprochen hatte, einen anderen Planeten zu finden, in Einklang zu bringen; dessen Versprechen bedeutet hätte, eine andere brauchbare Welt zu finden, auf der Alte Menschen leben… und sich selbst regieren konnten. »Provoni war ein Feigling«, sagte Nick, »und geistig unter dem Durchschnitt. Ich glaube nicht einmal, daß er eine Verfolgung wert war. Außerdem haben sie ihn jetzt offenbar gefunden.«
    »Das behaupten sie immer«, sagte Bobby. »Vor zwei Monaten hieß es, daß binnen vierundzwanzig Stunden – «
    »Er war unter dem Durchschnitt«, unterbrach Nick ihn scharf. »Also zählt er nicht.«
    »Wir sind auch unter dem Durchschnitt«, sagte Bobby.
    »Ich bin es«, sagte Nick. »Aber du nicht.«
    Sie gingen stumm weiter; keiner verspürte noch Lust, mit dem anderen zu reden.
    Staatsdienstbeamter Norbert Weiss zog einen grünen Streifen aus dem Prozeßcomputer hinter seinem Schreibtisch und las stirnrunzelnd einen Namen.
    APPLETON, ROBERT.
    An den erinnere ich mich, dachte Weiss. Zwölf Jahre alt, ehrgeiziger Vater… was hatte der Junge bei der Vorprüfung gezeigt? Einen auffallenden E-Faktor, beträchtlich über dem Durchschnitt. Aber
    Weiss griff nach seinem Haus-V-Fon und wählte die Nummer seines Vorgesetzten.
    Jerome Pikemans pockennarbiges, langes Gesicht tauchte auf; die Spuren der Überarbeitung waren unverkennbar.
    »Ja?«
    »Der junge Appleton wird gleich hier sein«, sagte Weiss. »Haben Sie eine Entscheidung getroffen? Lassen wir ihn die Prüfung bestehen oder nicht?« Er hielt den grünen Papierstreifen vor die Fon-Kamera, um das Gedächtnis seines Vorgesetzten aufzufrischen.
    »Die Leute in meiner Abteilung schätzen die unterwürfige Haltung seines Vaters nicht«, sagte Pikeman. »Sie ist so extrem – in bezug auf Autorität –, daß wir der Ansicht sind, sie könnte in der Gefühlsentwicklung seines Sohnes leicht das Gegenteil bewirken. Lassen Sie ihn durchfallen.«
    »Ganz?« fragte Weiss. »Oder vorläufig?«
    »Für immer. Er scheidet ganz aus. Wir tun ihm einen Gefallen damit; wahrscheinlich will er ausscheiden.«
    »Der Junge hatte sehr gute Ergebnisse.«
    »Aber nichts Überragendes. Nichts, was wir unbedingt haben müssen.«
    »Aber aus Gerechtigkeit dem Jungen gegenüber – «, wandte Weiss ein.
    »Aus Gerechtigkeit dem Jungen gegenüber weisen wir ihn ab. Es ist keine Ehre oder ein Vorrecht, eine Bundeseinstufung zu bekommen; es ist eine Last; eine Verantwortung. Finden Sie das nicht, Mr. Weiss?«
    So hatte Weiss das noch nie gesehen. Ja, dachte er, mein Posten überfordert mich, die Bezahlung ist dürftig, es gibt, wie Pikeman sagte, keine Ehre, nur eine Art Pflicht. Aber sie würden mich umbringen müssen, damit ich das aufgebe. Er fragte sich, weshalb er so empfand.
    Er hatte seinen Staatsdienstrang im September 2120 erhalten, und seitdem arbeitete er für die Regierung, zuerst unter einem Vorsitzenden aus den Reihen der Außergewöhnlichen, dann unter einem Neuen Menschen… welche Gruppe auch die eigentliche Herrschaft ausübte; er war, wie alle anderen Staatsbediensteten, im Amt geblieben und

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