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Die Mehrbegabten

Die Mehrbegabten

Titel: Die Mehrbegabten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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ungeschehen machen zu können – ich mein Leben geben würde. Aber dafür ist es zu spät.«
    »War sie die Freundin, die gestorben ist?«
    Nick nickte.
    Amos Ild nahm einen schwarzen Stift und zeichnete wieder. Nick sah ihm dabei zu, wie Strichfiguren entstanden. Ein Mann, eine Frau. Und ein schwarzes, vierbeiniges, schafähnliches Tier. Und eine schwarze Sonne, eine schwarze Landschaft mit schwarzen Häusern und Flitzern.
    »Alles schwarz?« fragte Nick. »Warum?«
    »Ich weiß nicht«, meinte Amos Ild.
    »Ist es gut, daß alles schwarz ist?«
    Nach einer Pause sagte Amos Ild: »Warten Sie.« Er überkritzelte die Zeichnungen, dann riß er das Blatt in Streifen, knüllte sie zusammen und warf sie weg. »Ich kann nicht mehr denken«, klagte er mürrisch.
    »Aber wir sind nicht alle schwarz, oder?« erkundigte sich Nick. »Sagen Sie mir das, und dann können Sie aufhören zu denken.«
    »Das Mädchen ist wohl ganz schwarz. Und Sie sind teilweise schwarz, wie Ihr Arm und Teile in Ihrem Inneren; aber der Rest wohl nicht.«
    »Danke«, sagte Nick und stand schwankend auf. »Ich glaube, jetzt gehe ich lieber zum Arzt. Wir sehen uns später.«
    »Nein«, widersprach Amos Ild.
    »Nein? Warum nicht?«
    »Weil Sie erfahren haben, was Sie wissen wollten. Sie wollten, daß ich die Erde zeichne und Ihnen zeige, was für eine Farbe sie hat, vor allem, wenn sie schwarz ist.« Er griff nach einem Blatt Papier und malte einen großen Kreis – in grüner Farbe. »Sie lebt«, sagte er. Und lächelte Nick an.
    »›Ich muß fort‹«, sagte Nick. »›Da ist ein Grab, wo Tulpe winkt und Lilie, und ich will erfreun den armen Faun, begraben unterm schlafend’ Boden, mit frohen Liedern, eh es tagt.‹«
    »Danke«, sagte Amos Ild.
    »Wofür?«
    »Für die Erklärung.« Er begann wieder zu zeichnen. Mit seinem schwarzen Stift zeichnete er die Frau, horizontal und unter dem Boden. »Da ist das Grab«, sagte er, »zu dem Sie gehen müssen. Da ist sie.«
    »Wird sie mich hören?« fragte Nick. »Wird sie wissen, daß ich da bin?«
    »Ja«, erwiderte Amos Ild. »Wenn Sie singen. Aber Sie müssen singen.«
    Die Tür ging auf, und der Beamte in Schwarz sagte: »Kommen Sie mit, Mister. Ins Lazarett.«
    Nick zögerte. »Und soll ich Tulpen und Lilien pflanzen?« fragte er Amos Ild.
    »Ja, und Sie dürfen nicht vergessen, ihren Namen zu rufen.«
    »Charlotte«, sagte er.
    Amos Ild nickte. »Ja.«
    »Los«, sagte der Beamte zu Nick, griff nach seiner Schulter und führte ihn hinaus. »Es hat keinen Sinn, mit dem Kleinen zu reden.«
    »Kleine?« sagte Nick. »So nennt ihr sie?«
    »Wir fangen damit an. Sie sind wie Kinder.«
    »Nein«, sagte Nick. »Sie sind nicht wie Kinder.« Sie sind wie Heilige und Propheten, dachte er. Propheten, weise Alte. Aber wir werden sie pflegen müssen, sie können nicht mehr für sich selbst sorgen. Sie werden sich nicht einmal mehr selbst waschen können.
    »Hat er etwas gesagt, was sich gelohnt hat?« fragte der Beamte.
    »Er sagte, sie kann mich hören.«
    Sie hatten das Lazarett erreicht. »Gehen Sie da rein«, meinte der Beamte. »Durch diese Tür. «
    »Danke«, sagte Nick und schloß sich der Reihe von Männern und Frauen an, die schon warteten.
    »Was er gesagt hat«, erklärte der Schwarzuniformierte, »war nicht sehr viel.«
    »Es war genug«, sagte Nick.
    »Sie sind rührend, nicht?« fragte der Beamte. »Ich habe mir früher immer gewünscht, ein Neuer Mensch zu sein, aber jetzt – « Er schnitt eine Grimasse.
    »Gehen Sie«, sagte Nick. »Ich möchte nachdenken.«
    Der Beamte entfernte sich.
    »Und Ihr Name, Sir?« fragte die Krankenschwester, den Kugelschreiber in der Hand.
    »Nick Appleton«, sagte Nick. »Ich bin der Reifenprofilschneider. Und ich möchte nachdenken«, fügte er hinzu. »Wenn ich mich vielleicht nur hinlegen könnte.«
    »Wir haben keine Betten mehr, Sir«, erklärte die Schwester. »Aber Ihr Arm« – sie berührte ihn vorsichtig, – »den können wir einrichten.«
    »Okay«, sagte er. Er lehnte sich an die Wand und wartete. Und beim Warten dachte er nach.
    Rechtsanwalt Horace Denfeld betrat polternd das Vorzimmer von Willis Grems Büro. Er hatte seine Aktentasche bei sich, und seine Miene, sogar seine Gangart zeigte eine weitere Entwicklung des Gefühls, aus einer Position der Stärke heraus zu verhandeln.
    »Sagen Sie Mr. Grem, daß ich weiteres Material über seine Alimentenzahlungen und Vermögens – «
    Miss Knight schaute von ihren Unterlagen auf und erklärte: »Sie kommen

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