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Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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auf dem Balkan. Ein tiefes Wasser, der selige Graf.»
    «Nikolaus IV. war der Monarch, der einen so merkwürdigen Geschmack in Bezug auf Frauen hatte, nicht wahr?», fragte Jimmy plötzlich.
    «Ja», antwortete Anthony. «Und er hatte es zu büßen, der arme Kerl. Sie war eine kleine Schauspielerin aus einem Pariser Cabaret – nicht einmal würdig einer morganatischen Verbindung. Aber sie hatte sich in den Kopf gesetzt, Königin zu werden, und Nikolaus war ihr völlig verfallen. Es klingt fantastisch, aber irgendwie schaffte sie es. Er machte sie zur Gräfin oder so was und erklärte, es fließe das Blut der Romanows in ihren Adern. Nikolaus vermählte sich mit ihr in der Kathedrale zu Ekarest, wobei ein paar Erzbischöfe sehr unfreiwillig helfen mussten, und sie wurde zur Königin Varaga gekrönt. Der König bestach seine Minister und nahm an, damit sei alles in schönster Ordnung – aber eins hatte er völlig vergessen: sein Volk. Man ist sehr aristokratisch dort in Herzoslowakien und sehr reaktionär. Das Volk verlangt, dass seine Könige und Königinnen blaues Blut haben. Es gab Geflüster und Revolten, die übliche rücksichtslose Unterdrückung derselben und schließlich die Erhebung des Volkes mit Sturm auf das Schloß. Sie ermordeten das Königspaar und proklamierten die Republik. Seitdem ist das Land republikanisch, aber anscheinend geht es dort immer noch recht bewegt zu. Einen oder zwei Präsidenten haben sie umgebracht, nur um ihre Macht zu beweisen. Aber ‹revenons à nos moutons›. Du warst dabei zu erzählen, wie Graf Stylptitch dich als Retter pries.»
    «Ja. Und das war das Ende der Geschichte. Ich kam nach Afrika zurück und dachte nie mehr daran – bis ich vor etwa vierzehn Tagen ein geheimnisvolles Paket erhielt, das mir wochenlang von einem Ort zum andern nachgefolgt war. Ich hatte in der Zeitung gelesen, dass Graf Stylptitch vor kurzem in Paris gestorben war. Nun, dieses Paket enthielt seine Memoiren, oder wie du es nennen willst. Es lag ein Zettel dabei, der besagte: Falls ich das Manuskript am oder vor dem 13. Oktober einem bestimmten Verlag in London übergebe, sei dieser angewiesen, mir tausend Pfund auszuzahlen.»
    «Tausend Pfund? Sagtest du wirklich tausend Pfund?»
    «So sagte ich – und ich hoffe zu Gott, dass es kein fauler Witz ist. Das ist also die Geschichte. Und weil das Ding immer hinter mir herreiste, habe ich keine Zeit mehr zu verlieren. Ich wollte natürlich die Sache nicht fallen lassen, aber andererseits hatte ich kurz zuvor diese Reise ins Innere ausgemacht, und an der liegt mir viel mehr. Das ist die Chance meines Lebens.»
    «Du bist unverbesserlich, Jimmy. Tausend Pfund in der Hand sind besser als alle sagenhaften Berge von Gold.»
    «Und wenn es dann doch nur fauler Zauber ist? Na, jedenfalls sitze ich da mit einer Karte für die Überfahrt, schon auf dem Weg nach Kapstadt – und da plötzlich tauchst du auf!»
    «Langsam fange ich an zu begreifen, was du meinst, James. Du möchtest also auf die Goldsuche gehen, und ich soll für dich die tausend Pfund kassieren. Was kriege ich dafür?»
    «Was hältst du von einem Viertel?»
    «Zweihundertfünfzig Pfund steuerfrei, sozusagen?»
    «Genauso.»
    «Abgemacht! – Und jetzt sollst du noch mit den Zähnen knirschen, wenn ich dir sage, dass ich die Sache auch für hundert übernommen hätte. Eins ist sicher, James: Du wirst auch auf deinem Sterbebett kein Bankguthaben zu zählen brauchen.»
    «Wie du meinst – also, gilt’s?»
    «Es gilt! Ich bin dabei. Und der Kuckuck hole Castle’s Select Tours.»
    Feierlich begossen sie diesen frommen Wunsch.

2
     
    « D as wäre erledigt», meinte Anthony, trank sein Glas aus und stellte es auf den Tisch. «Für welches Schiff hast du gebucht?»
    «Für die ‹Granarth Castles.›»
    «Passage auf deinen Namen, nehme ich an. Es dürfte also einfacher sein, wenn ich als James McGrath reise. Die Zeiten der Passformalitäten sind doch vorbei, soviel ich weiß?»
    «Keinerlei Schwierigkeiten. Übrigens sehen wir beide zwar grundverschieden aus, aber ich wette, auf diesen Dingern stehen die gleichen Angaben: Größe 1,80, Haare braun, Augen blau, Nase gewöhnlich, Kinn gewöhnlich…»
    «Bitte nicht so viele ‹gewöhnlich›! Lass dir sagen, dass Castle’s mich unter vielen Bewerbern nur wegen meiner sympathischen Erscheinung und meiner guten Umgangsformen gewählt haben.»
    Jimmy grinste.
    «Deine guten Umgangsformen habe ich heute bemerkt.»
    «Den Teufel hast du!»
    Anthony

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