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Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Angst leben musste, der Erpresser werde eines Tages wieder auftauchen.»
    «Wie wäre es denn, wenn du ihr die Briefe einfach schicktest?»
    «Sie hat, wie alle Frauenzimmer, weder Datum noch Adresse auf den Briefen vermerkt. Nur auf einem Einzigen stand so etwas wie eine Adresse – ein einziges Wort: ‹Chimneys›.»
    Anthony vergaß, das Streichholz auszublasen, das er eben in der Hand hielt, bis es ihm fast die Finger verbrannte und er es mit einer ungeduldigen Bewegung zu Boden warf.
    «Chimneys?», sagte er. «Das ist höchst merkwürdig.»
    «Warum? Kennst du den Ort?»
    «Chimneys ist einer der feudalsten Herrensitze von England, mein lieber James, ein Ort, den Könige und Fürstinnen zum Wochenende aufsuchen, wo Politiker sich zum Politisieren treffen.»
    «Da siehst du, wie gut es ist, wenn du statt meiner nach England fährst. Du weißt über all diese Dinge viel besser Bescheid», sagte Jimmy bescheiden. «Ein Einfaltspinsel wie ich, aus den hintersten Wäldern von Kanada, würde alles verkehrt anpacken. Aber einer, der wie du in Eton und Harrow studiert hat…»
    «Nur in einem davon», unterbrach Anthony ihn.
    «… so einer hat das nötige Fingerspitzengefühl. Warum ich die Briefe nicht geschickt habe, fragst du? Soviel ich daraus ersah, hat sie einen eifersüchtigen Ehemann. Stell dir vor, er würde das Päckchen öffnen – wie erginge es ihr dann? Ich habe mir daher ausgerechnet, dass der einzig sichere Weg ist, die Briefe selbst nach England zu bringen und sie in ihre Hände zu legen.»
    Anthony warf seine Zigarette fort, kam zu seinem Kameraden herüber und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.
    «Du bist wirklich ein Ritter ohne Furcht und Tadel, Jimmy», sagte er. «Und die Hinterwäldler von Kanada sollten stolz sein auf dich. Ich werde diese Sache nicht halb so gut zu Ende bringen können wie du.»
    «Du willst es also übernehmen?»
    «Sicher!»
    McGrath erhob sich, ging zu einem Schubfach, nahm ein Bündel heraus und warf es auf den Tisch.
    «Hier sind die Briefe. Du solltest sie dir einmal ansehen.»
    «Ist das nötig? Ich würde lieber darauf verzichten.»
    «Nach dem, was du über dieses Chimneys gesagt hast, war sie vielleicht nur vorübergehend dort. Wir müssten die Briefe lesen und sehen, ob wir nicht einen Hinweis auf ihren wirklichen Wohnort entdecken.»
    «Da magst du recht haben.»
    Sie gingen alle Briefe durch, fanden aber keinen Anhaltspunkt.
    «Armes Mädchen», bemerkte er. «Völlig verängstigt.»
    Jimmy nickte nur.
    «Glaubst du, dass du sie finden wirst?», fragte er besorgt.
    «Ich verlasse England nicht eher, als bis ich sie aufgetrieben habe. Die Sache scheint dir nahezugehen, Jimmy?»
    Jimmy ließ seine Finger gedankenverloren über die Unterschrift gleiten.
    «Sie hat einen so schönen Namen», meinte er entschuldigend. «Virginia Revel.»

3
     
    « G anz recht, mein Lieber, ganz recht», sagte Lord Caterham. Schon dreimal hatte er die gleiche Bemerkung gemacht, jedes Mal in der Hoffnung, sie würde die Diskussion abschließen und ihm die Flucht gestatten. Er schätzte es gar nicht, auf der Treppe seines exklusiven Londoner Clubs festgehalten und gezwungen zu werden, dem endlosen Geschwätz des sehr ehrenwerten George Lomax standzuhalten.
    Clement Edward Alistair Brent, neunter Marquis of Caterham, war ein kleiner, schlicht gekleideter Herr, der keineswegs so aussah, wie man sich einen Marquis des britischen Empire vorstellte. Er hatte blassblaue Augen, eine schmale, melancholische Nase und eine höfliche, aber unentschlossene Art. Das größte Missgeschick seines Lebens war ihm widerfahren, als er vor vier Jahren die Nachfolge seines Bruders, des achten Marquis of Caterham, antreten musste. Denn sein Vorgänger war eine markante Persönlichkeit gewesen, ein Begriff in ganz England. Als Sekretär des Auswärtigen Amtes hatte er energisch in die Staatsgeschäfte eingegriffen, und sein Herrensitz, Chimneys, war berühmt gewesen für seine Gastlichkeit. Unterstützt von seiner Gattin, der Tochter des Duke of Perth, gab er häufig Gesellschaften in Chimneys. Dort wurden politische Debatten ausgefochten, und es gab kaum eine wichtige Persönlichkeit in England oder in Europa, die nicht schon mal in Chimneys gewohnt hätte.
    Das war soweit ja schön und gut. Der neunte Marquis hatte den größten Respekt vor dem Andenken seines Bruders und bewunderte ihn sehr. Henry hatte solche Sachen großartig gedeichselt.
    Dagegen leuchtete es dem neuen Lord Caterham nicht

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