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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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Fährtensucher angaben, abweichen mussten, um dem einzigen Hindernis auszuweichen: ein paar tiefen Hohlwegen, die vor Urzeiten bei weiß der Teufel welchen geologischen Verwerfungen ausgehoben worden waren, Kalksteinwände in einem vom Regen frisch gewaschenen Weißbraun, in denen die Höhlen der Viscachas wie Onyx glänzten. Von den Abhängen hingen zitternde Narzissenstängel mit vertrockneten Blüten, und eine große Morgenammer schüttelte sich unter energischem Geflatter die Nässe aus den Flügeln. Der Anblick der Steilhänge schien die Soldaten aus ihrem Halbschlaf zu reißen. Einer von ihnen, struppig und verwahrlost, trat langsam an den Leutnant heran und bat um die Erlaubnis, ein paar Viscachas fürs Frühstück jagen zu dürfen. Der Offizier zuckte nur mit den Schultern und machte keinen Hehl daraus, wie wenig es ihn scherte, was sie taten oder nicht.
    Es gab Geschrei, und ein knappes Dutzend Soldaten riss sich von der Truppe los und stürmte zu den Steilhängen. Der unerwartete Galopp jagte den Pferden einen gewaltigen Schreck ein, sie schlugen in einem grotesk anmutenden Lauf blindlings mit den Hufen aus, warfen störrisch die Köpfe zurück, die Augen verschleiert von blutigen Tränen. Doch zum Glück für sie, auch wenn sie das nicht wussten, wurde die Jagd zu Fuß fortgesetzt.
    Es war ein lebhaftes und fast schon buntes Treiben innerhalb der erdrückenden Neutralität der ganzen Szenerie. Der Mann näherte sein Gesicht einem der Höhlenausgänge und stieß einen kurzen Schrei aus. Die Viscachas, um diese Stunde noch in tiefem Schlummer, sprangen verstört heraus und bekamen schnurstracks die Kehle durchgeschnitten. Die Männer mussten mit beiden Händen arbeiten, mit dem Säbel und einem dolchartigen Messer, das sie ‹facon› nannten, denn es waren so viele Tiere, die da aus der Tiefe hervorsprangen, und sie waren schwerer zu fassen, sobald sie einmal draußen waren, aber man konnte sie kriegen, wenn zwei zugleich den Ausgang stürmten; war das der Fall, stachen sie sie nieder, wenn sie die hohen Wände erklommen, spießten sie auf dem weichen Kalkstein auf. Die Soldaten schwitzten, wie sie so herumliefen und den großen weißen Nagetieren Hiebe versetzten, viele von ihnen trugen offenbar ihre Jungen bei sich, die beim enthaupteten Körper der Mutter hocken blieben und das Blut tranken. Sie stellten zufrieden fest, dass sie fett waren, gemästet. Die Größten waren bis zu einem Meter lang, und wenn eines zwischen den Beinen der Pferde hindurch davonlief, bekamen sie einen heftigen Schreck; allein schon der Blutgeruch, der recht durchdringend war, hatte sie verängstigt. Die zahllosen Hunde, die den Treck begleiteten, stürmten den Abhang hinunter und bellten wie die Teufel. Sie wagten nur nach den Verwundeten zu schnappen, und mehr als einer erhielt versehentlich einen Säbelhieb oder wurde niedergeknüppelt, wenn er versuchte, ein Beutetier zu stibitzen. Da man ihnen nie etwas zu fressen gab, war es ein Wunder, dass sie noch am Leben waren und noch dazu weiter im Treck mitliefen. Sobald die letzte Viscacha in Wasser und Blut hingestreckt lag, wurden sie alle an den Schwänzen zu Bündeln zusammengebunden; doch bevor sie wieder hinaufkletterten, suchten sie die Jungen, die nicht mehr als faustgroß waren zu dieser Jahreszeit. Ohne sie vorher zu töten, schnitten sie ihnen mit der Messerspitze ein Loch in den Bauch und setzten die Lippen an. In einem Zug saugten sie dem Tier das weiche und warme Innere aus, das aus nichts als Blut und Milch bestand. Den Rest, eine winzige leere Hülle, warfen sie den Hunden vor, die sich mit diesem Abfall und dem einen oder anderen Kopf begnügen mussten.
    Unterdessen war der Treck ein paar Meilen weitergezogen. Nach Mittag setzte ein leichter Regen ein, und der Leutnant gab Befehl, zum Essen Halt zu machen.
    Neben den Karren stellten die Soldaten Halbkugeln aus geteertem Papier auf, um das Feuer zu schützen; unter dem verächtlichen Blick der Strafgefangenen machten sie sich daran, den Viscachas mit unglaublicher Geschicklichkeit das Fell abzuziehen, um sie anschließend auf eiserne Bratspieße zu stecken und ein paar Minuten ins Feuer zu halten. Das Fleisch war so makellos wie das einer Seezunge, schmeckte aber bitter.
    Die Reiseverpflegung, ungesalzenes Dörrfleisch und Zwieback, war für die Truppe dieselbe wie für die Gefangenen, nur bekamen Letztere die halbe Ration. Sie hatten keinen Grund zur Klage, da sie keinerlei Energie verbrauchten und die ganze Zeit

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