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Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Titel: Die Mitte des Weges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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An der Torwache drücken sie die Augen zu, wenn kistenweise Bier in die Kaserne geschleppt wird, denn man soll sich gut verstehen, lustig sein und die Zeit in guter Erinnerung behalten.
    Thomas ist bei den Pionieren und seine Kameraden sind Kerle, denen man nicht gerne im Dunkeln begegnet, dennoch liebenswert und sanft, wenn man sie begreift.
    So einer ist Lars.
    Heute ist er sein Angelkamerad.
    Er stupst Thomas an und sagt: »Das mit dem Stuffz wird er dir heimzahlen.«
    » Dann warte ich, bis er in die Stadtdisco geht und zeig ihm, wo der Hammer hängt«, antwortet Thomas. So denkt er und er wird es vielleicht tun, wenn sich die Gelegenheit ergibt, wobei er über seine aggressive Grundhaltung erstaunt ist. Sensibilitäten hat er sich abgeschminkt. Thomas’ Grundstimmung ist der Zorn. Ditschig ist mehr als einen Kopf kleiner als er, ein Frettchen, das sich über die Schulterklappen vergrößert, ein Niemand. Ein winziger, armseliger Kerl, und hässlich obendrein. Von so einem lässt Thomas Wille sich nichts sagen. Dass das der Grundsatz des Militärdienstes ist, begreift er zwar, aber er lehnt es ab.
    Am Wachhäuschen werden sie auf einen LKW beordert. Unteroffizier Markus Trecker wirkt, als habe er soeben vom Tod seiner gesamten Familie erfahren, und Thomas meint Tränen in den Augen des jungen Mannes zu sehen.
    Ditschig verzieht angewidert das Gesicht und seine Lippen blähen sich wie bei einem Karpfen, der sich seine Hornbrille mit der Seitenflosse nach oben auf die charakterlose Nase schiebt.
    » Schwuchtel«, flüstert der Stuffz, womit er vielleicht sogar recht hat, denn Trecker hat so was an sich.
    Der LKW rumpelt davon, Richtung Kaserne.
    Trecker blickt ihnen hinterher.
    Große Augen und ein Gesicht, das Thomas sich einprägt.

5
     
    Noch nie verging die Zeit so schnell, wie in den letzten acht, neun, zehn Jahren, denkt Lotte Wille und trocknet ihre Finger am Handtuch ab. Im Mittelalter hatte sich in zehn Jahren vermutlich kaum etwas verändert, das gegenwärtige Deutschland hingegen scheint sich von Jahr zu Jahr neu zu erfinden. Das hat nicht nur mit den technischen Neuerungen zu tun, sondern auch mit dem, was man Lebenseinstellung nennt. Auch Lotte hatte vor zwei Jahren beschlossen, keine Kittelschürze mehr zu tragen, da es sie unweiblich macht und die Jeans, die sie sich gekauft hat, findet sie spannend, wenn auch befremdlich eng und unten sehr weit, was man eine Hose mit Schlag nennt. Es ist ein Experiment, gesteht sie sich ein. Genauso ein Experiment, wie die neue Kühltruhe und das Telefon. Sogar das Auto, das sie sich geleistet haben, das chromblitzend vor dem Haus steht und kaum genutzt wird, war eine Erforschung ihrer selbst, ein Abwägen, wie weit sie sich vortasten darf in eine Welt, die ihr zwar immer fremder wird, die sie aber begreifen will.
    Sie hat sich eine schöne Überraschung einfallen lassen.
    Niemand weiß etwas davon, nur sie, denn sie konnte es dank des Telefons steuern und es war ganz einfach gewesen.
    Ihr Bruder Otto und dessen Frau Gina kommen aus Berlin, Muttel auch. Piefke wird da sein, mit seiner jungen Frau Traudel, und Ottilie mit der armen süßen Jasmina. Otto, Gina, Muttel , Piefke und Traudel kommen mit dem Zug, der inzwischen eingetroffen sein muss, was bedeutet, dass jeden Moment zwei Taxis vor dem renovierten Bergmannshaus vorfahren. Sie hat sogar Geld abgezweigt, um sie alle in einer kleinen Pension unterzubringen. Das schmerzt im Portemonnaie, aber warum sollen Jeanshosen das einzige Abenteuer sein, das sie sich gönnt?
    Lotte ist nervös. Sie hat ihre Familie seit sechs Jahren nicht mehr gesehen und sie hofft, dass sich Franks Stimmung bessert, wenn sich gleich das Gartentor öffnet. Er trinkt schon jetzt das dritte Bier. Seine Miene ist hart und seine Augen blicken wehmütig. Er trauert seiner Kraft nach. Den Rest nimmt er sich mit Alkohol, aber Lotte sagt nichts dazu. Warum auch? Es ist seine Entscheidung, seine Verantwortung.
    Auch ihr nimmt er damit Kraft, denn sie hasst es, wenn er zu früh zu viel trinkt, und muss ihre Kritik runterschlucken, was sie schmerzt. Schmerzen schwächen.
    Doch darüber will sie jetzt nicht nachdenken.
    Sie lauscht. Vögel zwitschern in den Obstbäumen, der Wettergott meint es gut, Grillgerüche ziehen über die Siedlung und irgendwo kracht ein Kronkorken. Lachen, weit entfernt, hinter der hohen Hecke. Hier haben sie sich ihr Reich geschaffen. Frank liebt seinen Garten, auf dem er Kartoffeln und Möhren zieht und Kopfsalat und

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