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Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Mondspielerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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umfassender meine klaglose Hinnahme, desto größer würde eines Tages seine Liebe sein. Und der größte Verzicht, der auf mein Leben, hätte mir seine unsterbliche Liebe gesichert.
    Marianne begann zu kichern. »Dummerweise war eine Rückzahlung Liebe gegen Leid nie vereinbart«, sagte sie, und Passanten sahen sie irritiert an.
    »Euch geht’s doch genauso!«, rief sie ihnen nach.
    Liebe muss man sich mit Leid verdienen?
    Lachtränen rannen ihr aus den Augen. Sie hoffte inständig, dass es nach ihr Frauengenerationen geben würde, die es besser machten. Die von Frauen erzogen würden, die nicht Verzicht mit Liebe gleichsetzten.
    »Marianne! Lass uns nach Hause fahren!« Lothar war ausgestiegen.
    Niemals zuvor hatte Marianne diese Unsicherheit in Lothars Stimme gehört. Dieses Flehen. Dieser Wille, sich klein zu machen. Sie wollte ihm zurufen: »Lass das! Wer sich klein macht, wird nicht geliebt – er wird verachtet!«
    Niemand ist dankbar, wenn jemand anderer für ihn verzichtet. Das ist die Grausamkeit der menschlichen Rasse.
    Marianne ging zum Taxi, öffnete den Kofferraum, nahm ihren Koffer und das Akkordeon heraus.
    »Marianne! Wohin willst du?«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie und warf den Kofferraumdeckel zu.
    Marianne wusste nur: Sie verlangte es nach mehr, als sie von Lothar je gewollt hatte.
    Er griff nach ihrem Arm. »Marianne. Verlass mich nicht. Ich bitte dich, geh jetzt nicht. Marianne! Ich rede mit dir! Marianne, wenn du jetzt gehst, brauchst du nicht mehr nach Hause zu kommen!« Seine Stimme kippte. Marianne schüttelte seine Hand von ihrem Arm.
    Dann drehte sie sich ein letztes Mal zu Lothar Messmann um.
    »Lothar. Du bist nicht mein Zuhause.«
    Und Marianne nahm ihre Koffer in beide Hände und ging los, um ihr Zuhause zu finden, irgendwo auf dieser Welt.
    Als sie weinte, weinte sie um die Liebe, die sie nicht mehr für Lothar empfand; und auch um die Liebe, die sie sich selbst vorenthalten hatte.

47
    P aris im August. Stille Tage, die stillsten im Jahr, wenn die Pariser im Süden sind und ihre Autos mitgenommen haben. Leer die Straßen, nahezu rein die Luft. Paris war verreist, und hinter den herabgelassenen Rollläden der Wohnungen, kleinen Kioske und Bäckerläden staute sich die Wärme.
    Marianne saß am Canal Saint-Martin und aß eine Brioche. Die Nähe des Wassers kühlte den Hitzefilm auf ihrer Haut. Auf der anderen Seite des Kanals unter der Fußgängerbrücke spielten vier Musiker eine Musette im sanften Licht des herannahenden Abends. Ein Kanalboot tuckerte vorbei.
    Vor vier Tagen hatte Marianne ihren Mann auf dem Pont Neuf zurückgelassen. Sie hatte nicht gewusst, wohin sie wollte, und hatte ihren Füßen vertraut, sie irgendwohin zu tragen, wo sie ihre Koffer abstellen und eine Tür hinter sich schließen konnte.
    In dem Umschlag, den ihr Geneviève beim Abschied gegeben hatte, war mehr gewesen, als sie für die Arbeit in der Auberge und dem Ar Mor verdient hatte. Madame Ecollier hatte Marianne zusätzlich für ihren Auftritt bezahlt.
    Mariannes Besitz umfasste 2662 Euro, einen geliehenen Koffer mit einfacher Kleidung und einer blauen Robe, einen Lippenstift von Chanel, ein Wörterbuch, eine Fliese, ein Akkordeon.
    Sie war sechzig Jahre alt, hatte keinen Beruf, keine Ersparnisse, keinen Schmuck – und doch fühlte sich Marianne reicher als je zuvor. Sie hatte sich vorgenommen, in Paris zu bleiben, bis sie wusste, was sie als Nächstes wollte. So dringend wollte, dass es sie keine Sekunde länger mehr hielt.
    Kerdruc kam in diesem Plan nicht vor.
    Die Pension Babette hatte sie im Marais-Viertel gefunden; alle winzigen, aber hell und liebevoll eingerichteten Zimmer, in die ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl und eine Kommode hineinpassten, gingen in einen begrünten Hinterhof hinaus. In den Häusern gegenüber hatte Marianne Menschen beim Leben beobachtet. Hellerleuchtete Fenster – und jedes zeigte einen anderen Traum. Ein Mann, der mit Kopfhörern und einem Taktstock unhörbare Symphonien dirigierte; eine Frau, die ein Herz in einem zugeschraubten Glas neben sich auf den Nachttisch stellte und vor dem Einschlafen küsste; ein Paar, das die Topfpflanzen umhob und sich stritt, sie gab ihm eine Ohrfeige, er küsste sie, und später aßen sie Birnen und ließen ein Bein aus dem geöffneten Fenster baumeln.
    Neben der Pension lag ein kleines Café, in dem sich die Nachbarn grüßten, die nicht verreist waren, Pastis tranken, café crème bestellten und Zeitung lasen. Am zweiten Morgen

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