Die Mondspielerin: Roman (German Edition)
nicht doppelt so weit rauslaufen zu müssen, von der Flut nicht beim Grillen am Strand überrascht zu werden oder um beim Amateurfischen (Zwei-Wochen-Ticket um fünfunddreißig Euro) in den Buchten nicht plötzlich auf dem Trockenen zu sitzen.
Glaube und Aberglaube
Hügelgräber, Tumuli, gelten als Pforten zum Reich der Trolle, Quellen als Spiegel der Feen, und in Kapellen sitzen die Jungfrau Maria und der örtliche Schutzheilige einträchtig neben dem tanzenden Tod: Die heidnischen Nachfahren der keltischen Einwanderer Klein-Britanniens widersetzten sich recht einfallsreich der Christianisierung – und kombinierten das jeweils für ihr Leben Passende aus zwei Religionswelten. Neben dem katholischen Glauben üben noch siebentausendsiebenhundertsiebenundsiebzig Heilige und Schutzpatrone ihre Tätigkeit gegen Zahnschmerzen, Singleleben oder Schiffsuntergang aus; dazu kommen etwa dreißigtausend freischaffende Druiden, gute wie schwarzmagische Hexen und Magnetiseure – die Geistheiler.
Der alljährliche Pardon in nahezu jedem Dorf – eine Prozession unter freiem Himmel, um für die Sünden des Jahres Abbitte zu leisten – ist eine Freiluftmesse mit anschließendem Picknick auf den Calvaires: Beinhäuser mit Reliefs und Plastiken biblischer Szenen. Die größten Pardons, am 19. Mai, sind dem heiligen St. Ives gewidmet, Schutzpatron der Bretagne und der Juristen. Die haben bekanntlich reichlich Abbitte zu leisten.
Essen & Trinken
Fischsuppe, Jakobsmuscheln, Austern (vor allem die Belon plåtes), Hummer, Muscheln mit Fritten, Seeteufel und andere Fruchtbarkeiten des Meeres sind die Spezialitäten des Landes; dazu kommen Apfelgetränke (Cidre oder Lambig, der bretonische Calvados), bretonisches Bier, sogar Whisky! Die Bretagne ist kein klassisches Terroir für Wein, aber der Muscadet Sèvre-et-Maine, der an der bretonischen Loire angebaut wird, verdient eine unbedingte Empfehlung. Untertags bevorzugt der Bretone übrigens ein Gläschen Rosé.
Die Salzwiesen der Küsten verleihen zartem Lammgetier wie auch den Gemüsen und der Kuhmilch, die für die grandiose bretonische Butter verwendet wird, einen unvergleichlichen Grundgeschmack. Das Salz der Salinen in Guerande (Gwen Ran) wiederum gilt als eines der besten Speisesalze der Welt.
Die Supermärkte bieten eine überbordende Palette heimischer Produkte an, und nirgendwo in Frankreich ist die Qualität dieser Rohwaren besser. Falls Sie in einem Hotel mit Frühstücksbuffet übernachten: Vorsicht mit den Eiern. Sie sind ungekocht – der Eierkocher für Gäste steht meist neben dem Toaster.
Fest-Noz
Seit den sechziger Jahren gehören die dörflichen Nachtfeste zum beliebtesten Sommerprogramm im Juli und August: Es wird gegessen, gesungen und (oft in Reigentänzen) getanzt, zu Dudelsack und Oboe, zu Harfe und E-Gitarre. Jeden Donnerstag kündigt die Wochenzeitung Le Trégor die Fest-Noz der Region an.
Grals-Legende
Im heutigen Wald vom Paimport bei Rennes sollen sich einst die Ritter der Tafelrunde auf der Suche nach dem Heiligen Gral durchs dichte Unterholz geschlagen haben. Zwar beanspruchen sowohl die Bretonen als auch die Briten König Artus für sich, aber den ersten Artusroman schrieb eindeutig ein Franzose, siedelte die Geschichte von Lancelot, Excalibur und Merlin in der Bretagne an. Vor dort aus verschwand Artus dann auch auf die Insel Avalon, die »Apfelinsel« jenseits von Leben und Tod, beherrscht von der Fee Morgana. Dort warten verjüngende Äpfel auf jeden Toten, auf dass er eines Tages zurückkehren kann …
Megalithen
Ein Sonnenkult? Versteinerte Soldaten? Oder doch Grabmale? Älter als die Pyramiden sind die fünftausend Menhire (aufrechter Stein) und tausend Dolmen (Steintisch, Hünengrab) der Bretagne, die ab 4500 v.Chr. hochkant in den Boden gerammten Riesenfelsfinger. Wer diese Hinkelsteine wann warum aufgestellt hat (jedenfalls nicht die Kelten, die kamen später), gibt Anlass zu Mythen, Rätseln und reichlich nächtlichen Aktivitäten an den Felsnasen; den meisten Steinen wird Heilkraft bei Unfruchtbarkeit nachgesagt.
Mittagspause
Zwischen zwölf und vierzehn Uhr wird gegessen – das führt zu vollen Restaurants (bestellen Sie einen Tisch!), apokalyptisch leeren Straßen und geschlossenen Läden. Übrigens: Getrennte Rechnungen sehen die Bretonen höchst ungern, genauso wie Gäste, die einen Tisch aussuchen, ohne zu fragen.
Montag
Wer an einem Montag nichts im Ferienhaus-Kühlschrank hat, hat Pech. Denn der Sonntag der Bretonen ist der
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