Die Morde des Herrn ABC
Betrunkene haben sich renitent benommen. Diesmal hat sich unser belgischer Freund richtiggehend ins Bockshorn jagen lassen!»
«Ich bin sehr erleichtert, muss ich gestehen», sagte Poirot.
«Die Sache ist Ihnen anscheinend wirklich in die Knochen gefahren, wie?» Japp sah Poirot fast liebevoll an. «Sie Guter! Wir kriegen täglich solche Briefe, zu Dutzenden sogar! Menschen, die nichts Gescheiteres zu tun haben und ein bisschen verdreht im Oberstübchen sind, setzen sich hin und schreiben solches Zeug. Sie meinen es gar nicht böse. Es bedeutet ihnen einfach eine spannende Abwechslung.»
«Ich war bestimmt sehr dumm, die Geschichte so tragisch zu nehmen», gab Poirot zu. «Glaubte, meine Nase in ein Welpennest zu stecken.»
«Sie verwechseln Welpen und Wespen, mein Lieber.»
«Pardon?»
«Ach, nichts weiter! – Ja, nun muss ich gehen. Habe in der Nebenstraße einen Juwelendiebstahl aufzuklären. Ich wollte nur schnell vorbeikommen und Ihr Gemüt beruhigen. Es wäre ein Jammer, die kleinen grauen Zellen unnötig in Bewegung zu halten!»
Mit diesen Worten und einem herzhaften Lachen verabschiedete sich Japp.
«Er verändert sich auch nicht mehr, der gute Japp», bemerkte Poirot.
«Er ist ziemlich gealtert», murmelte ich rachsüchtig, «und grau geworden wie ein Dachs.»
Poirot hüstelte und schien nach Worten zu suchen.
«Wissen Sie, Hastings», murmelte er schließlich, «ich möchte Ihnen einen Rat geben… Mein Friseur ist ein ungewöhnlich geschickter Mann… Man befestigt es auf dem Kopf und bürstet dann die eigenen Haare darüber… Es ist keine Perücke, verstehen Sie, sondern ein…»
«Poirot!», rief ich. «Ich möchte ein für alle Mal nichts zu tun haben mit den Fertigkeiten Ihres verdammten Friseurs! Was ist denn überhaupt los mit meinem Kopf?»
«Nichts, durchaus nichts.»
«Ich bin doch schließlich nicht glatzköpfig!»
«Natürlich nicht.»
«In heißen Sommern verliert man zwangsläufig ein paar Haare, aber ich werde jetzt ein sehr gutes Haartonikum anwenden…»
«Précisément!»
«Und überhaupt – was geht Japp das an? Aber er war eben von jeher boshaft! Und humorlos! Von der Sorte, die lacht, wenn man einem Menschen den Stuhl wegzieht, auf den er sich eben setzen will.»
«Darüber würden viele Menschen lachen.»
«Dabei ist es so unsäglich dumm!»
«Vom Standpunkt desjenigen aus, der sich dann auf den Boden setzt – bestimmt.»
Ich versuchte, mich zu beherrschen. (Zugegeben: Ich bin in Bezug auf meine Haare sehr empfindlich.) «Jedenfalls tut es mir Leid, dass dieser anonyme Brief zu keinem Superfall geführt hat.»
«Ja, da scheine ich mich tatsächlich geirrt zu haben», meinte Poirot nachdenklich. «Ich hatte den Eindruck, dass mit diesem Brief irgendetwas nicht stimmte. Und jetzt stellt sich die Sache als blöder Scherz heraus. Ach ja! Ich werde alt und misstrauisch wie ein Kettenhund, der auch bellt, wenn gar nichts los ist.»
«Wenn wir also zusammenarbeiten sollen, dann müssen wir nach einem anderen ‹ Crème- Verbrechen› Ausschau halten», sagte ich lachend.
«Sie haben diesen Ausdruck nicht vergessen? Nun, wenn Sie ein Verbrechen bestellen könnten wie ein Menü – was würden Sie auswählen?»
«Lassen Sie mich nachdenken. Raub? Falschmünzerei? Nein. Zu vegetarisch. Nein, es müsste ein Mord sein, blutiger Mord – mit pikanten Beilagen natürlich.»
«Natürlich.»
«Wer müsste das Opfer sein, Frau oder Mann…? Mann! Irgendein großes Tier – amerikanischer Millionär, Ministerpräsident, Pressemagnat. Schauplatz? Die gute alte Bibliothek, nicht wahr? Hat am meisten Atmosphäre. Und die Waffe, die müsste meines Erachtens ein merkwürdig geformter Dolch sein – oder ein stumpfes Instrument, vielleicht ein in Stein gehauenes Idol…»
Poirot seufzte.
«Oder möglicherweise auch Gift», fuhr ich fort, «aber das sind sozusagen technische Morde. Oder ein Schuss, der durch die Nacht gellt… Und selbstverständlich müssen mindestens zwei schöne Mädchen eine Rolle spielen…»
«Mit kastanienbraunen Haaren», warf mein Freund ein.
«Und eines der jungen Mädchen würde zu Unrecht verdächtigt und sie hätte irgendeinen Streit mit ihrem Freund. Aber natürlich müssten noch andere Verdächtige vorkommen: eine ältere Frau, dunkel, gefährlicher Typ – und ein Freund oder Rivale des toten Mannes – ein schweigsamer Sekretär und ein herzlicher, offener Mann, und eine Reihe von entlassenen Dienstboten, Bruder, Haushälterin oder so etwas
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