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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Hoffnung anvertraut, diese zielbewußte Karrierefrau könne ihr vielleicht einen nützlichen Rat geben. Aber Olivia hatte kein Verständnis gezeigt. Sie hielt sie für töricht. »Internate sind sowieso ein Anachronismus«, hatte sie Nancy erklärt. »Schickt ihn auf die Einheitsschule im Ort, damit er sich mit den anderen messen kann. Es wird ihm auf lange Sicht mehr nützen als diese elitäre Atmosphäre und die überholten Traditionen.«
    Aber das war undenkbar. Weder George noch Nancy hatten je daran gedacht, daß ihr einziger Sohn eine staatliche Schule besuchen würde. Nancy hatte manchmal sogar heimlich davon geträumt, Rupert sei in Eton, und sie könne sich am 4. Juli in einem großen Strohhut auf dem berühmten Gartenfest zeigen. So solide und angesehen Charlesworth auch sein mochte, es kam ihr immer ein bißchen wie zweite Wahl vor. Das gab sie Olivia gegenüber allerdings nicht zu.
    »Das kommt nicht in Frage«, sagte sie kurz.
    »Dann soll er sich für ein Stipendium bewerben. Sorgt dafür, daß er selbst was für sich tut. Was für einen Sinn hat es, daß ihr euch für einen kleinen Jungen zugrunde richtet?«
    Aber Rupert war nicht übermäßig begabt. Er würde nie ein Stipendium bekommen, und George und Nancy wußten es beide. »In dem Fall«, sagte Olivia abschließend, weil das Thema sie zu langweilen begann, »in dem Fall habt ihr wohl keine andere Wahl, als den alten Kasten zu verkaufen und euch etwas Kleineres zu suchen.«
    Aber der Gedanke an einen solchen Schritt flößte Nancy noch mehr Entsetzen ein als die Aussicht, ihr Sohn könne eine staatliche Schule besuchen. Nicht nur, weil es bedeuten würde, ihre Niederlage einzugestehen und auf all das zu verzichten, was sie sich immer gewünscht hatte, sondern auch deshalb, weil sie den nagenden Verdacht hatte, sobald sie und George und die Kinder in irgendeinem praktischen kleinen Haus am Rande von Cheltenham wohnten, ohne die Pferde, den Frauenverein, das Komitee der Konservativen, die Sport- und Kirchenfeste, würde ihr Ansehen sinken, und sie würden für ihre landbesitzenden Freunde nicht mehr interessant sein und, schwindenden Schatten gleich, zu einer Familie vergessener Nichtpersonen dahinwelken.
    Sie erschauerte wieder, riß sich zusammen, drängte die beängstigenden Bilder beiseite und ging mit festen Schritten den plattenbelegten Korridor zur Küche entlang. Dort machte der große Ölherd, der niemals ausging, alles warm und gemütlich. Nancy dachte manchmal, besonders in dieser Zeit des Jahres, daß es eigentlich ein Jammer sei, daß sie nicht tagsüber in der Küche wohnten. und wahrscheinlich wäre jede andere Familie - nur nicht die ihre - der Versuchung erlegen und hätte den ganzen Winter dort verbracht. Aber sie waren nicht irgendeine andere Familie. Nancys Mutter, Penelope Keeling, hatte praktisch in der alten Küche im Souterrain des großen Hauses in der Oakley Street gelebt. Sie hatte dort gekocht und an dem schönen, blankgescheuerten Tisch gewaltige Mahlzeiten serviert, sie hatte dort ihre Kinder großgezogen, gestopft und geflickt und sogar die vielen Gäste empfangen und bewirtet, deren Strom nie abzureißen schien. Und Nancy, die nicht mit ihrer Mutter einverstanden gewesen war und sich ihrer sogar ein wenig geschämt hatte, hatte all die Jahre danach gegen diesen angenehmen und zwanglosen Lebensstil aufbegehrt und ihn auf keinen Fall übernehmen wollen. Wenn ich heirate, hatte sie sich schon als Backfisch geschworen, werde ich einen Salon und ein Eßzimmer haben wie andere Leute, und ich werde die Küche so selten wie möglich betreten.
    George dachte zum Glück ähnlich. Vor einigen Jahren waren sie nach längeren ernsthaften Diskussionen beide zu dem Schluß gekommen, daß der praktische Vorteil, das Frühstück in der Küche einzunehmen, den damit verbundenen Verlust an Stil überwiegen würde. Aber weiter wollte keiner von ihnen gehen. So wurden das Mittagessen und das Dinner weiterhin an dem vorschriftsmäßig gedeckten Tisch in dem riesigen hohen Eßzimmer eingenommen, und Förmlichkeit siegte nach wie vor über Behagen. Der düstere Raum wurde von einem elektrischen Kamin beheizt, und wenn sie Gäste erwarteten, stellte Nancy ihn ein paar Stunden vorher an und konnte nie verstehen, warum die Damen unweigerlich in dicke Schals gehüllt kamen. Schlimmer war, daß sie einmal - sie würde den Abend nie vergessen - unter der Weste eines sehr korrekt gekleideten Herrn die unverkennbaren Umrisse eines Pullovers mit

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