Die Muschelsucher
gab, um sie zu ihrem Glück zu zwingen, und wenn nötig auch mit anderen Dingen half. Was sie getan hatte. Nun lag es an ihnen, mit ihrem heruntergekommenen Häuschen, ihrem Kultivator und ihren Hühnern zurechtzukommen und ihre Zukunftspläne zu verwirklichen, aber sie hatten ja ihren beneidenswerten unerschütterlichen Optimismus.
Und Penelopes Kinder? Wie würden sie mit ihrem Erbe umgehen, wie würden sie zurechtkommen? Nancy würde sich sicher irgend etwas Verrücktes kaufen, glaubte sie. Vielleicht einen Range-Rover, um vor ihren Teeschwestern und den lokalen Größen anzugeben, aber mehr nicht. Alles andere würde für das große Statussymbol draufgehen - die teuersten Privatschulen für Melanie und Rupert. Die sie ohne einen Funken Dankbarkeit besuchen und als eben die garstigen Geschöpfe verlassen würden, die sie jetzt schon waren.
Sie dachte an Noel. Noel hatte seinen Job noch, aber sobald sein Anteil auf seinem Konto wäre, würde er die Werbung sicher an den Nagel hängen und sich irgend etwas ausdenken, um sein eigener Herr zu sein, vermutete sie. Warentermingeschäfte oder vielleicht irgendwelche gewagten Immobilientransaktionen. Wahrscheinlich würde er sein Kapital verbrauchen und schließlich ein ebenso reiches wie reizloses Mädchen mit erstklassigen Beziehungen heiraten, das ihn anbeten würde, nur um laufend von ihm betrogen zu werden. Olivia lächelte unwillkürlich. Er war ein unmöglicher Mensch, aber im Grunde ihres Herzens wünschte sie ihm alles Gute. Bliebe nur noch sie, und da gab es keine Fragezeichen. Sie würde das Geld von Mama im Hinblick auf Alter und Ruhestand vorsichtig anlegen. Sie stellte sich vor, wie es in zwanzig Jahren aussehen würde - sie würde immer noch allein und ledig in dem kleinen Reihenhaus in der Ranfurly Road wohnen. Aber sie würde unabhängig sein und etwas auf der hohen Kante haben. Und sich all die kleinen Freuden und Annehmlichkeiten leisten, die ihr immer Spaß gemacht hatten. Ins Theater und in Konzerte gehen, ihre Freunde einladen, weite Reisen machen. Vielleicht würde sie sich einen kleinen Hund zulegen, um Gesellschaft zu haben. Und sie würde nach Devon fahren und bei Danus und Antonia Muirfield wohnen. Und wenn die beiden mit der ganzen Kinderschar, die sie zweifellos in die Welt setzen würden, nach London kämen, würden sie sie besuchen, und sie würde den Kindern ihre Lieblingsmuseen und Lieblingsgalerien zeigen und mit ihnen ins Theater gehen, zum Ballett oder zu einem Weihnachtsmärchen, falls gerade Weihnachten war. Sie würde eine nette Tante sein. Nein, keine Tante, eine nette Großmutter. Es wäre so, als hätte sie Enkel. Was sonderbar war. Wie wenn ein Knäuel ineinander verschlungener Fäden sich von selbst entwirrt und sich ohne fremdes Zutun zu einer ordentlichen Schnur flicht, die bis in die Zukunft reicht.
Das Taxi hielt. Sie blickte auf und sah etwas überrascht, daß sie schon vor dem luxuriösen Bürogebäude angekommen waren, in dem die Redaktion von Venus untergebracht war. Hellbeiger Stein und blitzendes Glas, das die Sonne reflektierte, und die oberen Stockwerke vom satten Blau des Himmels umgeben.
Sie stieg aus und zahlte. »Der Rest ist für Sie.«
»Oh... vielen Dank, Gnädigste.«
Sie ging die breiten weißen Stufen zum Eingang hinauf, während der Pförtner herbeieilte, um ihr die Tür zu öffnen.
»Wunderschöner Tag heute, Miss Keeling.«
Sie blieb stehen und strahlte ihn an wie noch nie.
»Ja«, sagte sie. »Tatsächlich ein besonders schöner Tag.«
Sie schritt durch die Tür. In ihr Königreich, ihre Welt.
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