Die Muse des Mörders (German Edition)
sie in der Frühe aufgewacht war, versuchte sie ihren Freund – oder war er mittlerweile ihr Exfreund? – zu erreichen. Vergeblich. Sein Handy war aus und seine Mailbox mittlerweile voll von ihren flehenden Nachrichten, die zuletzt zu wüsten Beschimpfungen geworden waren.
»Marie!«
Warum konnte ihr Vater sie nicht einfach in Ruhe sterben lassen? Sie drehte den Kopf und schaute zur Tür. Ihre Augen brannten und vor lauter Tränen sah sie alles verschwommen.
»Mir geht’s nicht gut, lass mich in Ruhe.«
»Du warst nicht in der Schule.«
»Ich bin krank und jetzt verschwinde!« Marie versuchte, Festigkeit in ihre Stimme zu legen, doch sie klang nur kläglich und verletzt.
»Weinst du?«
»Nein, verdammt.« Sie zog die Nase hoch und wischte sich über die Augen. »Ich bin erkältet, lass mich bitte weiterschlafen.«
»Bist du auch zu krank für eine Überraschung?«
»Ich will nur meine Ruhe.« Ihre Stimme überschlug sich und sie musste husten.
»Brauchst du einen Tee?«
»Bitte?« Ihre Augen weiteten sich ungläubig. Einen Tee gegen Liebeskummer? »Nein. Geh jetzt!«
»Überleg’s dir. Beides.«
»Muss ich nicht.«
Sie hörte ihren Vater seufzen, dann wünschte er ihr gute Besserung und ging endlich. Als er weg war, zog Marie sich die Decke über den Kopf und drehte sich von der Tür weg. Alles war aussichtslos, all ihre Pläne hatten sich in Luft aufgelöst. Zum wiederholten Mal ging sie die Geschehnisse der letzten Tage durch und suchte nach einem Ereignis, das ausschlaggebend gewesen sein könnte. Oliver war von ihrem Vater aus dem Goldschmiedbetrieb geworfen worden, als dieser herausgefunden hatte, dass sie ein Paar waren. Sie hatten sich heimlich weiter getroffen und davon geträumt, irgendwann zusammenzuziehen. Aus den Träumen waren handfeste Pläne geworden und letztendlich hatten sie beschlossen, gemeinsam durchzubrennen. Oliver wollte alles für ihren Neuanfang regeln, genügend Geld besorgen und sie dann zu sich holen. Es sollte ein romantisches Abenteuer werden, ein Beweis ihrer Liebe. Von wegen!
Marie entfuhr ein Schluchzen und sie presste das Gesicht ins Kissen, damit ihr Vater ihr Weinen nicht hören konnte, aber es war bereits zu spät. Schritte waren zu hören, dann klopfte es wieder. Sie fuhr hoch und blickte wutentbrannt zur Tür.
»Was ist denn noch? Ich will einfach nur schlafen, ist das so schwer zu verstehen?«
Die Tür öffnete sich einen Spalt und ein riesiger Strauß roter Rosen wurde ihr entgegengehalten.
»Was soll das? Ich hab gesagt, ich will …«
Ein helles Lachen ertönte, dann wurde der Strauß heruntergenommen.
»Oliver!« Marie sprang aus dem Bett, verhedderte sich in ihrer Decke und wäre beinahe gestürzt. Sie fing sich, strauchelte und trat dann auf einen Teller, der auf dem Boden stand.
»Hey, Vorsicht.« Oliver hielt Marie fest und drückte sie an sich. »Vorsichtig.«
Marie erwiderte seine Umarmung und presste sich an seine Brust. Sie war weder fähig, etwas zu sagen, noch, die Situation zu verstehen. Stattdessen sah sie ihn nur verwirrt an, was ihm ein erneutes Lachen entlockte.
»Du siehst ja schrecklich aus, Süße.« Er gab ihr einen Kuss und führte sie behutsam zum Bett. Sie setzte sich und sah zu, wie er die Rosen neben ihr ablegte. Er hockte sich vor sie auf den Boden und nahm ihre Hände. Sie hakte ihre Finger in seine und nahm sich vor, ihn nie wieder loszulassen. Noch immer konnte sie nicht glauben, dass er hier war.
Oliver deutete ihre Sprachlosigkeit falsch.
»Ich verstehe, dass du wütend bist, und es tut mir wirklich leid, hörst du? Ich wollte dich anrufen, aber dann …« Er brach ab, schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Als er sie wieder ansah, war sein Blick genauso ungläubig wie ihrer. »Dein Vater hat mir verziehen. Er hat eingesehen, dass wir zusammengehören.«
»Wie …« Marie konnte nicht weitersprechen. Sie schüttelte den Kopf und Oliver verstand die Frage in ihrem Blick.
»Ich wollte noch ein letztes Mal mit ihm reden, bevor wir die Sache wirklich durchziehen. Gleich heute Morgen bin ich zu ihm in den Laden gegangen. Ich habe ihm ganz ruhig gesagt, dass er doch sicher auch will, dass du glücklich bist, und er …« Oliver grinste schief und zuckte mit den Schultern.
»Das … das ist …« Sie spürte, wie ihr Tränen über die Wangen liefen. Diesmal vor Erleichterung. Sie ließ sich vom Bett auf die Knie sinken und schloss Oliver in die Arme.
»Ab jetzt lass ich dich nie
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