Die Nacht des schwarzen Zaubers
recht. Mir gefällt das Meer auch nicht mehr. Seit Tagen schon! Mein Junge, ich weiß eine Menge vom Meer! Aber wie sich dieser Tümpel im Augenblick benimmt, ist tatsächlich anormal!« Rank trat an die Brüstung und starrte hinunter ins Dorf. Er sah Tomamai mit vollem Schmuck im Wasser stehen, und er sah, wie Balolonga unbeweglich wie eine massige Statue vor seinem Haus saß. Sathra! Das eine Mädchen wird entführt, das andere verschwindet spurlos, ein Waffenschiff wird versenkt, aus dem Paradies wird eine Hölle. Warum muß der Mensch alles zerstören durch Gier, Dummheit oder Leidenschaft? Warum ist Frieden und Liebe nicht möglich, sobald nur drei Menschen zusammen sind? Rank seufzte und blickte sich um. Fred Dylon wischte sich gerade den Schweiß vom Gesicht, und der Doktor fuhr fort: »Mir ist aufgefallen, daß gestern nacht meine Höhle bedenklich gewackelt hat. Nicht heftig, nur so als zittere der Felsen ein bißchen aus Angst vor dem Wasser.«
»In Victoria schlagen die Seismographen aus, und keiner weiß warum. Nirgendwo ein Beben.« Dylon sprang wieder auf. »Doc, das gibt es doch nicht, daß diese Inseln wieder vulkanisch werden! Dann leben wir ja auf einer riesigen Bombe!«
»Vielleicht!« Dr. Rank umklammerte seine zerbeulte, aber auf Hochglanz polierte Trompete. »Wenn Tomamai sagt, wir sollten die Insel verlassen, dann wird es Zeit! Wenn ich dem alten Gauner auch nicht viel glaube, das nehme ich ihm ab, daß er eine Nase für Katastrophen hat! Verdammt, wir müssen die Insel schleunigst räumen!«
»Womit?« Dylon starrte Dr. Rank ratlos an. »Wir haben nur zwei Motorboote.«
»Vielleicht kommt Bob Skey zufällig vorbei, nachdem sein Armee-Arsenal versenkt worden ist.«
»Und der rettet uns?«
»Er wird es! Wenn er dort draußen auftaucht«, sagte Rank und zeigte aufs Meer, »werden wir wieder zu Seeräubern!«
Sie schwiegen betroffen. Ein dumpfes, unterirdisches Grollen kam aus dem Felsen. Die glatte Meeresfläche begann sich zu kräuseln und wurde weißlich, als triebe aus der Tiefe Schaum an die Oberfläche. Im Dorf blieben die Menschen stehen und staunten. Alle Arbeit ruhte. Sie starrten auf das unheimliche Meer. Tomamais Gebet wurde zu einem schrillen Schrei.
»Weg!« sagte Rank. Sein Atem stockte. »Junge, wir müssen sofort weg! Wir haben keine Zeit mehr! Wenn Sie beten können, dann tun Sie's. Gott im Himmel, laß es nicht zu spät sein.« Das dumpfe Grollen aus der Tiefe kam nicht wieder, aber es hatte genügt, Aimée zu verändern. Schreiend rannten die Eingeborenen herum, packten das Notwendigste zusammen und stießen mit ihren Auslegerbooten oder Katamaranen vom Land ab. Der schwache Wind trieb sie träge weg, durch die Einfahrt des Riffs hinaus aufs offene Meer. Frauen und Kinder, Greise und Kranke wurden auf die stabilsten Boote verteilt. Fred Dylon rannte wie ein Irrer zu Baumanns Haus, wo er Marga und Claudia ganz verstört vorfand.
Sie begriffen die allgemeine Aufregung nicht und wußten auch nicht, warum die Arbeiter plötzlich alle davonrannten. Sie hatten das unterirdische Rumoren nicht gehört und standen nun unter der überdeckten Terrasse, an der man gerade die Dachbretter festgenagelt hatte.
»Zum Hafen!« schrie Dylon und warf die Arme hoch. »Claudia, Mrs. Baumann, sofort zum Hafen! Wir müssen runter von der Insel!« Er fing Claudia auf, die ihm ein paar Schritte entgegenlief, und küßte sie – zum erstenmal im Beisein ihrer Mutter. Marga stand wie gelähmt unter dem halbfertigen Terrassendach.
»Was ist denn los?« sagte sie tonlos. »Warum rennen denn alle weg?«
»Keiner weiß etwas!« Dylon faßte Marga unter und zog sie vom Haus weg. »Aber sehen Sie sich das Meer an. Und vorhin hat die Erde gebebt. Irgendeine Katastrophe bahnt sich an.«
»Und Alex? Titus Hansen? Gott im Himmel, sie sind draußen auf dem Meer! Sie ahnen nichts!« Sie blieb plötzlich stehen. »Ich bleibe, bis mein Mann zurück ist!« sagte sie fest. »Ich bleibe!«
»Das ist Wahnsinn!« schrie Dylon. »Ich werde versuchen, Funkkontakt mit dem U-Boot zu bekommen! Sie sollen dort bleiben, wo sie sind. Bloß nicht zurück zu den Inseln! Mrs. Baumann, Sie können nicht warten! Sehen Sie sich das Meer an!«
Die Wellen begannen, schaumig überzogen, gegen die Insel zu laufen. Der Wind schwieg jetzt völlig, die Sonne hing wie glühendes Blei im farblosen Himmel. Und trotzdem hob und senkte sich das Meer, es wurde immer wilder und warf sich mächtig gegen den Felsen. Ein Sturm in völliger
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