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Die Nacht des schwarzen Zaubers

Die Nacht des schwarzen Zaubers

Titel: Die Nacht des schwarzen Zaubers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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um sich mit eigener Kraft aus dem Dreck herauszubuddeln. Er hatte geschuftet wie zehn Zugochsen, und die damals gerade zwanzigjährige Marga Hochrieth hatte ihm dabei geholfen, zunächst als Halbtagsstenotypistin, später als Ehefrau, bis die Firma Rhein-Ruhr-Export GmbH einen Namen hatte und Alexander Baumann sich ein eigenes Haus bauen konnte. Aber mit ihm innerhalb der Familie zu diskutieren war einfach unmöglich. »Wenn du unbedingt nach St. Tropez willst«, sagte er einmal zu Claudia, »dann verdien dir erst einmal das Geld dazu.« Mit einem solchen Argument waren dann die geheimen Sehnsüchte schnell begraben. Und man hatte sich allmählich mit Papas Einstellung abgefunden.
    »Wie steht's, Matrose?« fragte Baumann. Er stand neben seinem Sohn, der die Leinen des zusammengerollten Segels kontrollierte.
    »Alles in Ordnung, Papa. Wir können!« Volker lehnte am Mast. Er hatte große blaue Augen – die Augen seiner Mutter, in denen immer ein Hauch von Träumen lag. Im bunten Polohemd steckte ein knochiger Oberkörper.
    Zu schnell gewachsen, hatte Dr. Oberfeld, Baumanns Hausarzt und Freund, gesagt. Die Burschen schießen in den Himmel, als fräßen sie Atomdünger. Aber das gibt sich. Zur Länge kommt später einmal die nötige Breite.
    »Der Wind ist mies«, sagte Volker und streckte den angefeuchteten Daumen in die Luft. »Bei Marbella wäre das anders.«
    »Volker!« drohte Baumann mit gespielter Empörung.
    »Ich weiß, Paps! Bleib daheim und ernähre dich redlich!«
    Baumann griff in die Tasche seiner weißen Segelhose und holte eine Packung Zigaretten heraus. Aber dann zögerte er und steckte sie wieder weg. »Sag mal, bin ich eigentlich ein Ungeheuer von Vater?« fragte er. »Ein Tyrann?«
    »Nicht im eigentlichen Sinne, Paps.«
    »Solche Antworten beweisen Begabung für Diplomatie. Ich bin also ein Familiendespot!«
    »Du bist eine ungemein starke Persönlichkeit. – Nennen wir es so.«
    »Ihr findet es stinklangweilig, über diesen See zu segeln, nicht wahr?«
    »Hier kenne ich allerdings jeden Taubenschiß, der auf dem Wasser schaukelt.« Volker verzog sein kantiges Jungengesicht zu einem Grinsen. »Immerhin sind es einwandfrei ›teutsche‹ Tauben.«
    »Ihr haltet mich wohl für einen Idioten, was?« Alexander Baumann steckte sich nun doch eine Zigarette an. »Muß man denn jeden Trend mitmachen? Mallorca, Costa del Sol, Rimini, Cannes, Rhodos, Dubrovnik! Angabe, wie die gestickten Blümchen auf deiner Hose.«
    »Man lebt nur einmal Papa, und das verhältnismäßig kurz.«
    »O Himmel, das muß mir ausgerechnet ein vierzehnjähriger Bengel sagen!«
    »Wenn ich's mir einmal leisten kann, sehe ich mir die ganze Welt an. Von Pol zu Pol, wie Onkel Titus.«
    »Onkel Titus war U-Boot-Kommandant und lügt, wie alle Seeleute. Er war im Krieg häufiger unter Wasser als auf dieser prächtigen Erdoberfläche.«
    »Aber er kennt Afrika, den Indischen Ozean, er war sogar in Singapur und in Japan. Und wir, die Baumanns? Im Sommer Baldeney-See, im Winter Hochkirchen in den Alpen. Keine Sau kennt dieses Nest.«
    »Wir kennen es, und wir sind keine Säue!« sagte Baumann ruhig. »Aber gut. Keiner soll sagen, ich sei aus der Steinzeit. Im nächsten Jahr segeln wir nach Nizza.«
    »Ist das wahr, Paps?«
    »Ja.«
    »Das Wort muß festgehalten werden!« Volker stieß sich vom Mast ab und rannte über Deck zum Kajüteneingang. »Mutter, Claudia!« rief er. »Kommt einmal rauf! Paps will im nächsten Jahr mit uns nach Nizza! Es gibt noch Wunder!«
    Wunder, dachte Baumann und lächelte vor sich hin. Er sog an seiner Zigarette und sah, wie Marga und Claudia über die schmale Treppe an Deck kletterten. Das Wunder heißt Marcel Poineret. Wir machen nächstes Jahr zusammen in Nizza ein Büro auf. Einen Handel mit provencalischen Stoffen. Jedes Wunder ist irgendwie erklärbar, aber man rührt besser nicht an sein Geheimnis.
    »Nach Nizza?« rief auch Marga. Wie jung sie aussieht zwischen ihren Kindern, dachte er glücklich. Wie die ältere Schwester, und was haben wir alles gemeinsam durchgemacht, Marga. Die Hungerjahre, das schrittweise Emporarbeiten, die Rückschläge, die beiden schweren Geburten, viele Nächte voller Qual und viele Nächte voller Seligkeit. Wie reich ist doch ein anscheinend so normales Leben! Es ist erstaunlich, daß wir eigentlich alles ohne böse Spuren überstanden haben. »Sechs Wochen!« rief er zurück. »Im Sommer!«
    »Soll ich einen Arzt holen? Bist du krank?« Sie schüttelten sich vor Lachen.

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