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Die Nacht von Granada

Die Nacht von Granada

Titel: Die Nacht von Granada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Seufzen. Jetzt ruhte alle Hoffnung der Versammelten auf den Schultern des Verletzten, dem Maliks tapferes Blutopfer die Flucht ermöglicht hatte.

1
    E s war verboten, was sie vorhatten – aber hatten sie es seit frühesten Kindertagen nicht immer wieder getan?
    Lucia war die Erste, die nach ihrem kleinen Streit die Sprache wiederfand.
    »Mach schon«, drängelte sie. »Wir dürfen nicht den ganzen Vormittag wegbleiben, sonst werden sie noch misstrauisch.«
    In dem niedrigen Schuppen am Flussufer, in den sie sich zurückgezogen hatten, war es dämmrig, denn es gab keinerlei Fenster, nur die unregelmäßigen Spalten zwischen den rohen Brettern, durch die hier und da ein Sonnenstrahl fiel.
    »Und du bist wirklich ganz sicher?« Wenn Nuri aufgeregt war, begann sie manchmal zu lispeln, vor allem wenn sie ins Andalusische verfiel.
    Wortlos schnürte Lucia ihr Mieder auf. Sie atmete aus, als der Druck an den Rippen nachließ, und streifte mit einer raschen Bewegung den Rock ab, den ein Band in der Taille zusammengehalten hatte. Jetzt trug sie nur noch das dünne Leinenhemd, das lose über ihren schmalen, hochgewachsenen Körper fiel.
    Plötzlich empfand sie Verlegenheit, obwohl sie doch mit Nuri schon als Säugling in einer Wiege gelegen hatte.
    Alles an ihr war noch immer staksig und mager, ganz anders als die weichen Rundungen der Freundin, die sie wie eine richtige Frau aussehen ließen.
    »Ob dir meine Sachen überhaupt noch passen werden?«, hörte sie Nuri murmeln. »Du musst über den Sommer schon wieder gewachsen sein.«
    Dass sie die meisten Mädchen überragte und daher wohl Schwierigkeiten haben würde, einen Mann zu finden, hatte Lucia in ihrem sechzehnjährigen Leben schon zu oft hören müssen, um noch darauf zu antworten. Stattdessen angelte sie ungeduldig nach Nuris weiten Beinkleidern und schlüpfte hinein. Danach zog sie sich das kurze Kleid über den Kopf, das nach dem Jasminöl der Freundin duftete, und schaute prüfend an sich hinunter.
    Nuri hatte wieder einmal recht gehabt.
    Das Überkleid endete tatsächlich ein ganzes Stück über dem Knie und oberhalb der Knöchel blitzte eine Handbreit heller Haut. Keine anständige Muslima* hätte sich so aus dem Haus gewagt, doch jetzt ließ sich nichts mehr daran ändern. Lucia bedeckte ihr lockiges Haar mit dem dicht gewebten Schleier, so ordentlich, wie es ohne Spiegel eben ging, verzichtete jedoch darauf, ihn auch über Nase und Mund zu ziehen, wie es besonders fromme Maurinnen taten.
    * Mit einem Sternchen gekennzeichnete Wörter sind in einem Glossar am Ende des Buches kurz erklärt.
    Nuri war noch immer mit dem Verschnüren des ungewohnten Mieders beschäftigt.
    »Wie haltet ihr Christinnen das auf Dauer nur aus?«, rief sie, als sie endlich damit fertig war. »Das fühlt sich ja an, als würde man in einem Schraubstock stecken!«
    »Gewöhn dich besser schon daran! Erst neulich hat Djamila die dicke Fatima sagen hören, dass bald alle Mauren unsere Kleider tragen müssen, und die hat dieses Gerücht angeblich direkt aus der Alhambra*, wo ihre Nichte derzeit in der Hofküche aushilft. Da bekommt man so manches mit.«
    Lucia bereute ihren Ausspruch, als sie das erschrockene Gesicht der Freundin bemerkte. Sie hatte Nuri keine Angst machen wollen, aber ihre Zunge war wieder einmal zu flink gewesen.
    Ein Geräusch ließ die Mädchen zusammenfahren.
    »Was war das?«, flüsterte Nuri in ihrer Muttersprache.
    »Woher soll ich das wissen?« Lucia stand schon an der Tür und antwortete ebenso fließend auf Arabisch. »Ich werde nachsehen. Dann wissen wir Bescheid.«
    »Du wirst doch jetzt nicht rausgehen wollen?« Im Dämmerlicht waren Nuris riesige Augen fast schwarz.
    Knarzend sprang die Tür auf und ließ einen Schwall Licht herein. Die Sommerhitze, die die Tage glasig und schwül gemacht hatte, war zum Glück vorüber. Jetzt, Ende Oktober, roch die Luft nach Herbst, und es wehte ab und zu eine frische Brise, für die alle dankbar waren. Tagsüber war es sonnig und angenehm warm, wenngleich die Nächte merklich früher einsetzten und das Nahen der kühlen Jah reszeit ankündigten. Noch ragten die Gipfel der Sierra Nevada nackt in den blauen Himmel, ohne die schützende Schneehaube, die sie in einigen Wochen und bis weit hinein in den Frühling tragen würden.
    »Da ist niemand.« Mit bloßen Füßen kam Lucia zurück. Sich in Nuris kleine Schuhe zu quetschen, die hinten offen waren, hatte sie erst gar nicht versucht. »Außer einem gra senden Maultier ist

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