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Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Titel: Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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Höflichkeiten. Eine Prozedur, bei der ich mich fragte, woher ich sie so zwanglos beherrschte. Die meisten beglückwünschten mich zu irgendwas, gratulierten mir, als habe ich eine besondere Leistung vollbracht. Obwohl uns jemand den Weg bahnte, ging es nur langsam voran.
    Je länger dieses Umlagertsein andauerte, umso mehr fühlte ich, wie es mir gefiel. Man suchte meine Nähe wie bei einer berühmten Persönlichkeit, so als könne mein Glanz auch auf jene abfärben, die mich am Ärmel zogen oder mir vertraulich die Hand auf die Schulter legten. Auch der vereinzelte Neid, den ich in manch einer abschätzigen Miene zu erkennen glaubte, stimmte mich heiter. Ich hatte die Macht, diese wenigen Abtrünnigen mit einem kurzen Blick in die Schranken zu weisen. Ich brauchte ihnen nur freundlich zuzunicken, um ihren Ausdruck umzustülpen, um sie zu einem Lächeln zu zwingen, einer zwar nur symbolischen Unterwerfung, aber die sollte mir an diesem Abend genügen.
    So war meine anfängliche Nervosität nach und nach einer freudigen Erregung gewichen, und ich fragte mich, wie lange ich diese Euphorie, die mich immer mehr erfüllte, vermisst hatte. Therèse hatte recht gehabt. Es war eine große Stunde, vielleicht die größte überhaupt.
    Ich hatte schon eine ganze Weile in dieser Menschentraube gestanden, ältere und würdige Männer um mich herum (einige waren mir vorgestellt worden, andere kannte ich offenbar), als das glitzernde Licht der Kronleuchter gedämpft wurde. Nur noch die Bühne erstrahlte im Glanz der Scheinwerfer. Das Gemurmel ebbte ab, und die Ansammlung um mich herum zerstreute sich. Jeder strebte seinem Platz zu, und auch ich wandte mich um, um den freien Stuhl neben meiner Frau zu erreichen. Es war ein rotbezogener, verschnörkelter Stuhl aus irgendeiner bekannten historischen Epoche, es war das einzige Stück Rot, das in der ersten Reihe zwischen dem Grau und Blau und Braun heraus stach, eine Bresche in diese vorderste Front der Honoratioren geschlagen hatte, klaffte wie eine offene Wunde. Zur Linken saß der Rektor der Universität, zur Rechten Therèse. Und während sich die Stille herabsenkte, die Letzten im Saal Platz genommen hatten, legte ich diese restlichen fünf Meter zurück, schritt sie im Bewusstsein der Blicke ab, die auf mich, auf meinen Rücken und Nacken geheftet waren. Während sie darauf warteten, dass auch ich mich setzte, spürte ich ihre Aufmerksamkeit fast körperlich, kostete sie aus und wünschte, ich könnte diesen Moment ausdehnen in alle Ewigkeit.
    Vier Streicher betraten die Bühne, zogen einen konzentrischen Kreis Licht auf sich und begannen zu spielen. Zwischen Rednerpult und Musikern hatte man ein großes Blumenarrangement aufgebaut. Ansonsten war die Bühne leer. Therèse hatte meine Hand genommen. Ich spürte, wie sie tief und ruhig atmete. Ich wagte nicht, die Ärmel meines Jacketts ein Stück hochzuziehen, um einen verstohlenen Blick auf die Manschettenknöpfe zu werfen.
    Der höfliche Applaus war noch nicht verklungen, da sprang ein jüngerer Mann in einem sportlichen, schwarzen Leinenanzug die drei Stufen zur Bühne hinauf. Mit seinem klobigen Mikrophon erinnerte er an einen Losverkäufer auf dem Jahrmarkt. Ich erkannte ihn sofort. Es war Robert Wesselmann, mein ehemaliger Mitarbeiter und langjähriger Assistent. Vor einigen Jahren hatte er einen Ruf nach München erhalten und angenommen. Seitdem hatte ich ihn kaum gesehen, nicht mehr als ein paar Mal auf einer Tagung oder den jährlichen Treffen der Deutschen Gesellschaft.
    Er ging zum vorderen Bühnenrand. Sein erster Blick galt mir. Strahlend verzog er das Gesicht, kniff dabei die Augen zusammen und nickte ein paar Mal heftig wie jemand, der restlos begeistert ist. Dann straffte er sich, ließ immer noch lächelnd seinen Blick langsam durch das weite Halbrund der Aula wandern und führte das Mikrophon zum Mund.
    »Eure Magnifizenz, Herr Ministerpräsident, Herr Oberbürgermeister, meine sehr verehrten Damen und Herren.« Schon nach diesen wenigen Worten schien er außer Atem. Vielleicht wollte er auch nur die schwergewichtigen Anreden auf seine Zuhörer wirken lassen. »Es ist mir eine besondere Ehre und zugleich Freude, die Rolle zu übernehmen, die an mich herangetragen wurde. Gerne würde ich durch diesen Abend geleiten, sagte ich spontan zu, als ich vor einigen Monaten gefragt wurde. Gerne würde ich etwas von dem zurückgeben, was dieser Mann, um dessentwillen wir uns heute hier versammelt haben, für mich getan

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