Die Nachtwächter
hin.
Qu hob erneut das Sprachrohr. »Na schön. Jemand soll sich
bitte
auf den Weg machen und Bruder Kai holen. Beginnt mit der Suche vor, sagen wir, zweihundert Jahren. Du lehnst es sogar ab, die sehr nützlichen Entwicklungen, die ich, äh, entwickle, einzusetzen«, fügte er an Lu-Tze gerichtet hinzu.
»Ich brauche sie nicht«, sagte Lu-Tze. »Ich habe ein Gehirn. Wie dem auch sei: Ich benutze deine temporale Toilette.«
»Ein Abort, der sich zehn Millionen Jahre in der Vergangenheit entleert – das war
keine
gute Idee, Kehrer. Ich bedauere, dass du mich dazu überredet hast.«
»Dadurch sparen wir die wöchentlichen vier Cent für Paul Königs Eimerjungen, Qu, und das ist nicht zu verachten. Steht nicht geschrieben: ›Spare in der Zeit, dann hast du in der Not‹? Außerdem landet alles in einem Vulkan. Es ist vollkommen hygienisch.«
Wieder krachte eine Explosion. Qu drehte sich um und hob das Sprachrohr. »Das Tambourine
nicht
mehr als zweimal schlagen!«, rief er. »Poch-poch-werfen-ducken – so macht man das.
Bitte
passt auf!«
Er wandte sich wieder an Kehrer. »Höchstens vier weitere Tage, Lu-Tze«, sagte er. »Tut mir Leid, aber danach kann ich es nicht mehr aus dem Papierkram heraushalten. Und es würde mich überraschen, wenn es dein Mann aushält. Früher oder später wirkt es sich auf seinen Geist aus, ganz gleich, für wie zäh er sich hält. Er befindet sich nicht in seiner Zeit.«
»Wir lernen viel«, beharrte Lu-Tze. »Aus einer völlig logischen Kette von Gründen geriet Mumm in die Vergangenheit und sieht sogar wie Keel aus! Er hat die Augenklappe und die Narbe! Ist das Narrative Kausalität, ein Historischer Imperativ oder schlicht und einfach seltsam? Kehren wir zu der alten Theorie einer sich selbst korrigierenden Geschichte zurück? Hat der Abt Recht, wenn er sagt, es gäbe keinen Zufall? Verbirgt sich hinter jedem vermeintlichen Zufall eine höhere Ordnung? Ich würde gern Antworten auf diese Fragen finden.«
»Vier Tage«, sagte Qu. »Wenn es länger dauert, fliegt die Sache auf, und dann wird der Abt sehr sauer auf uns sein.«
»Wie du meinst, Qu«, erwiderte Kehrer demütig.
Er wird sauer sein,
wenn
er dahinterkommt, dachte er, als er zur Tür in der Luft zurückkehrte. Er hatte sich sehr klar ausgedrückt. Der Abt der Geschichtsmönche (»Die Männer in Safrangelb«, »Ein solches Kloster gibt es nicht« – es gab viele Namen für sie) konnte so etwas nicht zulassen. Er hatte Lu-Tze verboten, auf diese Weise aktiv zu werden, um dann hinzuzufügen: »Aber wenn du dich doch einmischst, erwarte ich, dass sich der Historische Imperativ durchsetzt.«
Lu-Tze betrat den Garten und stellte fest, dass Mumm noch immer auf die leere Bohnenbüchse der Universellen Einheit starrte. »Nun?«, fragte er.
»Seid ihr wirklich so etwas wie… Polizisten der Zeit?«, brachte Mumm hervor.
»In gewisser Weise«, erwiderte Kehrer.
»Ihr… sorgt dafür, dass die guten Dinge passieren?«
»Nein, nicht die guten Dinge, sondern die richtigen«, sagte Kehrer. »Aber um ganz ehrlich zu sein: Heutzutage haben wir alle Hände voll damit zu tun, dafür zu sorgen, dass
irgendetwas
passiert. Wir haben uns die Zeit als einen Fluss vorgestellt, auf dem man stromaufwärts und stromabwärts rudern und zum Ausgangspunkt zurückkehren kann. Dann fanden wir heraus, dass sie mehr wie ein See ist, auf dem man sich auch von einer Seite zur anderen bewegen kann. Dann erwies sie sich mehr wie eine
Kugel
aus Wasser, die auch Bewegungen nach oben und unten zulässt. Derzeit stellen wir uns die Zeit als… als etwas vor, in dem viele Räume zusammengerollt sind. Und dann gibt es Zeitsprünge und Zeitrutsche, und Menschen pfuschen damit herum, verlieren und gewinnen sie. Und nicht zu vergessen die Quanten.« Der Mönch seufzte. »Die sind
immer
mit dabei, die verdammten Quanten. Wenn man das alles berücksichtigt… dann leisten wir schon gute Arbeit, wenn das Gestern vor dem Morgen geschieht. Was dich betrifft, Herr Mumm: Du bist in ein… Ereignis geraten. Wir können die Sache nicht in Ordnung bringen, zumindest nicht ganz. Aber du kannst es.«
Mumm lehnte sich zurück. »Mir bleibt keine Wahl, oder?«, fragte er. »Wie mein alter Feldwebel sagte: Man muss sich der Aufgabe stellen, die man vor sich sieht.« Er zögerte. »Das bin ich, nicht wahr?
Ich
habe mich all das gelehrt, was ich weiß…«
»Nein. Ich habe es dir erklärt.«
»Ich hab’s nicht verstanden. Aber vielleicht muss ich das auch gar
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