Die Nachzüglerin (German Edition)
riesigen
Federbetten versenkt und wäre eingeschlafen. Asja
entging nicht, dass ich müde war.
"Leg dich ruhig ein wenig. Hast genug gearbeitet vor
lauter Arbeit suchen." Ich war ihren liebevollen
Befehlen längst gefügig, also gehorchte ich. Offenbar
war ich auf Annas Bett gelandet. Den Kopf in das
Kissen gekuschelt, blickte ich direkt in sein Gesicht. Es
war ein Automatenfoto, das in einem Bilderrahmen
auf dem Nachttisch stand. Er hatte mir das gleiche
Foto geschenkt. Mit einem Ruck stand ich wieder auf.
"Es tut mir wirklich leid, aber für mich ist es jetzt Zeit.
Habt vielen Dank für eure Gastfreundschaft."
"Wann kommst wieder?", fragte mich Asja und gab
mir einen geräuschvollen Schmatz auf die Wange. Ich
spürte etwas Spucke auf meiner Wange und traute
mich nicht, sie wegzuwischen. Ich hatte bemerkt, dass
hinter Asja und Anna jemand war. Die beiden standen
im Türrahmen und wollten mich nicht durchlassen.
Ich hatte nicht gesehen, dass er es war. Als sie mir den
Weg freigaben, stand ich direkt vor Alexej. Ich war
unbewaffnet hierhergekommen, jetzt saß ich in der
Falle. Ich wich zurück und fiel wieder auf das Bett, aus
dem ich mich so mühsam erhoben hatte. Anna und
Asja freuten sich doppelt. Sie hatten den einen Gast
dazugewonnen und den anderen behalten. Anna nahm
mir abermals die Jacke ab und Asja brachte ein
weiteres Glas und servierte geräucherten Fisch und
Teigtaschen, die mit Hackfleisch und Sauerkraut
gefüllt waren. Alexej sah mich verwundert an,
scheinbar empörte er sich über meinen Appetit. Ich
konnte nicht aufhören zu essen. Es schien mir das
erste richtige Essen zu sein, das ich in meinem Leben
bekommen hatte. Er wandte den Blick nicht von mir
ab und sah mich an wie damals, als wir uns
kennengelernt hatten. Ich fragte mich, was Anna und
ihre Mutter darüber dachten, deshalb senkte ich
meinen Blick auf den Klapptisch und die Essensreste,
als wären sie als Stillleben dort arrangiert worden. Die
drei begannen, sich auf Russisch zu unterhalten, so
dass ich meiner Liebe ausgeliefert wurde, die sich von
meinem Nabel aus in konzentrischen Kreisen über den
ganzen Körper ausbreitete.
Plötzlich wurde die Tür unsanft aufgestoßen. "Hier
seid ihr also. Ich habe euch gesucht." Es war Igor,
Annas Bruder. Asja brauchte ihm nichts mehr zu
trinken anzubieten. Trotzdem griff er schwankend
nach der Flasche und schüttete Wodka in sich hinein.
Dann widmete er sich den Fischstücken. Ich fürchtete,
er würde sie im Ganzen herunterschlucken, denn sie
waren voller Gräten.
"Wo hast du dich schon wieder betrunken?" Asja
sprach Deutsch, und Igor antwortete auf Russisch.
Anna erzählte mir, dass sich die Männer im Keller des
Aussiedlerheims eine kleine Kneipe eingerichtet
hatten, wo sie im Neonröhrenlicht Karten spielten,
rauchten und tranken, bis sie nicht mehr sitzen
konnten.
"Du bist schon wieder im Keller gewesen, und deine
Mutter und deine Schwester haben Arbeit gesucht. Du
wirst dich noch so herrichten wie dein Vater, der
elendige. Daheim hätten wir dich lassen sollen, du
Lump, da hätte dir keiner mehr was zum Saufen
gegeben." Sie redete unaufhörlich auf ihn ein. Ich
stand auf, um sie zu beschwichtigen, doch Alexej hielt
mich zurück.
"Hast uns hierhergeschleppt, nur wegen deiner
Tochter, die immer von Paris geträumt hat. Du hast sie
verzogen. Zu Hause ging es wenigstens allen schlecht.
Hier sind nur wir der letzte Dreck."
Als ich aufstand, nahm er mich zum ersten Mal wahr.
Das Stück Räuchermakrele, das er sich gerade in den
Mund schieben wollte, fiel ihm aus den Fingern.
"Schau her, was haben wir da für ein Täubchen?" Ich
lächelte ihm artig zu, während ich mit Unbehagen
beobachtete, wie er mit Mühe vom Bett seiner Mutter
aufstand, um sich zu uns zu setzen. Er wartete nicht,
bis wir ihm Platz machten, sondern quetschte sich
zwischen Anna und mich und legte den Arm um
meine Schulter. Ich konnte mich nicht aus seinem
Griff lösen. Doch ich bemerkte, wie peinlich sein
Verhalten für meine Gastgeberinnen war, und tat
amüsiert, um sie nicht noch mehr zu beunruhigen.
"Habt ihr endlich auch einmal jemanden für mich
gefunden?" Er zeigte mit dem Finger auf Alexej und
erklärte: "Einen schönen Schwiegersohn haben sie sich
gesucht. Aber du bist freundlich, du bist genau
richtig." Er drückte mir seine Spirituslippen auf den
Mund. Ich wollte mich aus seiner Umklammerung
lösen.
"Lässt du das Mädchen los?" Die Mutter schrie mit
überschlagener Stimme und boxte auf ihren Sohn ein.
Die Schwester
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