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Die Nachzüglerin (German Edition)

Die Nachzüglerin (German Edition)

Titel: Die Nachzüglerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Sondermann
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kurzerhand alles aus dem
Fenster, oder sie benutzten die Schuttrohrleitungen.
Wenn sie den Dreck in die locker aneinander
befestigten Plastiktonnen warfen, versenkten sie die
ganze Straße in einen Staubnebel. Margarete staunte
über die rüpelhafte Entrümpelung. Ihre blauen Augen
leuchteten unter dem rothaarigen Pony, als sie auch
noch begannen, die Türen aus dem Fenster zu werfen.
"Die braucht man doch nicht wegzuschmeißen", sagte
sie. Ich pflichtete ihr bei, während die nächste Tür mit
lautem Krachen auf dem Trottoir landete. Aus dem
Keller schleppten sie eine Schrankwand und stellten sie
neben die blauen Plastiktoilettenhäuschen.
"Genau dieselbe Schrankwand hatten wir auch", freute
sich Margarete. "Wir haben sie auch weggegeben."
Ich hätte sie gerne in meiner Wohnung aufgestellt.
Aber ich hatte keine, ich lebte immer noch bei Frieda,
die nur "richtige" Antiquitäten schätzte. Sie kannte das
DDR-Familienleben
genauso
gut
wie
diese
Schrankwand, sie konnte ihren Wert als Zeitzeugen
nicht schätzen.
Ich konnte nur Informationen aus zweiter Hand
bekommen. "Franziska Linkerhand" von Brigitte
Reimann lesen oder "Das Vorschulkind" von Willi
Forst: "Das Familienkollektiv umgibt alle seine
Mitglieder mit der Fürsorge, die einem jeden guttut
und die er nötig hat."
    Abends schlug ich Frieda vor, das Möbelstück zu
holen. "Du wirst sehen. Die Schrankwände werden
bald Seltenheitswert haben."
Frieda blieb unbeeindruckt.
"Ich kann nicht verstehen, dass du in dieser
Putzkolonne angeheuert hast." Margarete und ich
gehörten einem Putztrupp an, der sanierte Wohnungen
von den Dreckresten befreite, die die Handwerker
hinterlassen hatten, bevor die ersten Mieter einzogen.
"Früher hast du Häuser besetzt. Jetzt putzt du sie",
sagte sie verächtlich.
"Dafür bin ich weg von der Straße. Du hast doch
immer gesagt, ich solle mir eine Arbeit suchen", wehrte
ich mich.
"Das ist doch keine Arbeit. Das ist Sklaverei."
Ich wagte nicht, ihr zu erklären, dass ich mir nichts
anderes zugetraut hatte und dass mir die Arbeit sogar
Spaß machte. Es war anders als damals in der
Lebkuchenfabrik, wo wir ein und denselben
Arbeitsgang acht Stunden lang wiederholen mussten.
Niemand schrie uns an, dass wir uns beeilen sollten.
Wir bestimmten, wann die Wohnung fertig war. Dann
gingen Margarete und ich noch einmal durch und
begutachteten unser Werk und waren mit uns
zufrieden.
    Nachts wachte ich oft auf. Dazwischen träumte ich,
dass ich mir nichts leisten konnte, aber an einem
vietnamesischen Textilstand einen Dederonbeutel
kaufte. Dederon, das Trevira des Ostens, das länger
gehalten hatte als die DDR, obwohl es ebenfalls zwei
D´s hatte. Ich hielt ihn mit der gleichen Selbstverständlichkeit in der Hand, mit der ich die "Jute statt
Plastikbeutel" herumgeschleppt hatte. Während ich
entlang der Regale schlafwandelte, war ich ein Teil der
Menge, die von den Einkaufswagen durch die Gänge
geschleift
wurde.
Rhythmisches
Rausnehmen,
Rumdrehen und Reinlegen der meist viereckig
verpackten Warenkörper. Die Menschen leisteten den
Direktiven des Einkaufsradios Folge. Plötzlich hielten
sie alle an. "Vorsicht: Stau vor dem Kühlregal". Dann
wieder die Verheißung von Basmatireis und Brokkoli.
Es war ein seltsam trauriger Discount.
Zu Hause warteten Frieda und Eva auf mich. Sie
waren von meinen Einkäufen wenig begeistert. Vor
ihren Augen zog ich zehn Pakete Magerquark aus dem
Beutel und legte sie in den Kühlschrank. "Eva kommt
aus Griechenland", jubelte ich.
"Nicht nur Griechenland", sagte Eva. "Das wäre auf
Dauer zu langweilig. Da machst du dann immer nur
dasselbe.
Immer
wenn
ich
in
einen
Land
klargekommen bin, musste ich weiterziehen. Sonst
wäre es mir auf Dauer zu langweilig gewesen." Da hing
dieselbe Kette, die sie mir geschickt hatte, fröhlich an
ihrem Hals. Aber ihr Lächeln erschreckte mich, es war
ein eisiges Grinsen. "Das hast du nun davon." Ihr
Blick verdunkelte sich wie bei einem Racheengel, der
einem die Vergangenheit präsentiert, als wäre sie zu
einem Stück Zukunft recycelt worden. Sie verkündete
etwas, das ich nicht verstand, obwohl mir klar war,
dass es mit Geld zu tun haben musste.
"Ihr wisst nicht, was Leben ist. Wir haben mit ein paar
Leuten auf einem verlassenen Bauernhof gelebt.
'Richtig gelebt', meine ich." Sie legte ihre Hände zu
einem Kelch aneinander. Ihre Augen drohten in einer
Meditation zu versinken. "Und was am besten ist",
triumphierte sie. "Ich habe von der Wiedervereinigung
nichts mitgekriegt."
"Ja", sagte

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