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Die Nachzüglerin (German Edition)

Die Nachzüglerin (German Edition)

Titel: Die Nachzüglerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Sondermann
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Sie
standen in Gruppen, drehten sich Zigaretten mit
klammen Fingern und riefen ab und zu: "Eins, zwei,
drei, lasst die Leute frei!" Ich wartete allein und
versuchte, immer abwechselnd auf nur einem Bein zu
stehen, um die Bodenkälte nicht zu spüren, wenigstens
für eine kurze Zeit. Etwa um Mitternacht, als meine
Beine bereits taub vor Kälte und Müdigkeit waren,
ließen sie Alexej gehen. Seine Freude, mich
wiederzusehen, war echt. Er fiel mir in die Arme.
Die ganze Nacht lagen wir zusammen. Ich wachte oft
auf und sah mir sein Gesicht an. Ein wenig schämte
ich mich, dass ich ihn so gierig ansah. Ich presste mich
an ihn und wusste nicht, ob er tatsächlich weiterschlief.
Er ließ es geschehen. Am nächsten Morgen, als Alexej
aufstand und sich anzog, weigerte ich mich
aufzuwachen. Er lief aber so aufgeregt hin und her,
dass ich Notiz von ihm nehmen musste. "Du hast die
Wohnungstür abgeschlossen. Ich finde den Schlüssel
nicht."
Nachdem ich mir ein T-Shirt angezogen hatte, legte
ich die Arme um ihn. Sein Pullover war ebenso kratzig
wie seine unrasierte Wange, an die ich mich schmiegte.
Er wandte sie abrupt von mir ab. Rastlos lief ich in der
Küche herum, hob die Zeitung auf und öffnete die
Besteckschublade.
"Schau doch im Kühlschrank nach."
Ich lachte und leerte eine Blechdose auf den
Küchentisch. Leere Batterien, Kleingeld und ein paar
Schlüssel, von denen ich nicht wusste, wozu sie
gehörten, kullerten über die Tischplatte. Ich fing an,
mich nach den heruntergefallenen Teilen zu bücken.
"Jetzt reicht es langsam. Wenn du den Schlüssel nicht
finden kannst, trete ich die Tür ein."
Ich holte den Schlüssel aus meinem Zimmer. Er war in
der Hosentasche meiner Jeans, die ich gestern getragen
hatte.
"Wo willst du hin? Wollen wir nicht lieber erst Kaffee
trinken?"
"Euer Kaffee ist leer."
Alexej stellte sich an die Wohnungstür. Ich steckte den
Schlüssel ins Schloss: "Du bist verliebt. Du willst es
nicht wahrhaben."
Alexej starrte auf die Tür, als würde er sie mit Blicken
öffnen wollen.
"Ich weiß nicht, was das soll. Ich weiß nicht einmal,
was diese Worte bedeuten. Mach jetzt bitte auf."
Ich drehte den Schlüssel um und stieß die alberne Tür
auf. "Du stehst nicht zu mir."
"Es gibt jetzt wichtigere Dinge."
"Mir geht es aber nicht gut."
"Überall in der Welt verrecken die Leute an unserem
Schweinesystem. Wie viele Kinder, die in der Nähe
von Wackersdorf leben, werden an Blutkrebs sterben,
wenn diese Scheißanlage läuft?"
"Was hat denn der Bau der Wiederaufbereitungsanlage
damit zu tun, dass wir uns lieben?"
"Warum redest du so kitschig?"
"Was hat die WAA damit zu tun, was zwischen uns
beiden läuft?"
"Ich bin gerne mit dir zusammen, aber ich will keine
feste Beziehung."
Er gab mir einen ungeduldigen Kuss auf die Wange.
"Ich muss zum Anwalt, Franka. Die klagen mich an
wegen Landfriedensbruch."
Im Briefkasten war ein Päckchen von Eva. Sie hattees
in Italien aufgegeben. Ich las mir den Brief durch.
    Liebe Franka,
hoffentlich bist du nicht sauer auf mich, weil ich mich
nicht gemeldet habe. Wie hätte ich es dir sagen sollen?
Ich kann nicht jeden Tag zur Arbeit gehen und
Hamburger verkaufen. Ich hasse den Manager. Ich
hasse die Kunden, die diesen Dreck fressen. Bitte sei
mir nicht böse, dass ich dich mit der Wohnung sitzen
lasse. Natürlich werde ich die Miete für diesen Monat
zahlen. Meine Eltern holen irgendwann noch meine
Sachen. Ich muss herausfinden, was ich wirklich im
Leben machen will. Wenn man ganz allein in einer
fremden Umgebung ist, lernt man sich selbst erst
richtig kennen. Ich bin zurzeit mit ein paar Leuten
unterwegs, die Straßenmusik machen. Ich will mit
ihnen fahren und Schmuck verkaufen. Ich umarme
dich.
Deine Eva
    Sie hatte mir eine Kette beigelegt, die ich sofort
anlegte. Ich fragte mich, woher sie das Geld für den
Schmuck hatte. Warum sollte ich mich in der Fabrik
abschuften, während sie in der Welt herumfuhr? Unser
Plan, das Leben der Niedriglohngruppen zu erforschen
und zusammenzuleben war gestorben.
    Ich stieg die Treppe hinunter zum Musikkeller. Der
war ebenso schwarz gestrichen wie das Treppenhaus.
Unter den Tanzenden fiel ich nicht sonderlich auf,
schlug nur den Kopf im Rhythmus, schleuderte meine
langen Haare um mich und sprang dabei so hoch wie
möglich. Als wollte ich etwas aus mir herauspeitschen,
schnellte ich auf und ab. Völlig verschwitzt holte ich
mir ein Bier und stellte mich mit einer Zigarette im
Mund an den Rand der Tanzfläche. Als ich sie
anzünden wollte, kam mir

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