Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben
ein tollwütiges Untier näher kam.
» Wie kann man nur so blöd sein, Jessica? Willst du mich noch extra reizen? Wo ist er denn nun, dein Bodyguard, hä? Wahrscheinlich macht er das gleiche wie dein Kumpel Max und vögelt gerade die Freundin von irgendjemand! « , brüllte er.
Mein Kopf schwang zur Seite und meine Wange brannte vom nächsten Schlag.
Für eine Sekunde konnte ich Marvin scharf sehen. Ich hob den Arm, krümmte die Finger zu einer Faust – und sah ihn verschwinden. » Hä? «
» Jess « , sagte jemand, und ich seufzte, weil ich eine warme, zärtliche Hand an meinem Arm spürte. Aber die Stimme … » Jess « , flüsterte er. Die Stimme passte nicht zu dem Namen, bei dem er mich rief …
Dann tauchte undeutlich Dereks Gesicht vor mir auf.
» Jessica « , verbesserte ich ihn.
» Wie auch immer « , meinte er. » Du bist verletzt. Lass mich dir helfen … «
Ich rutschte an der Wand abwärts. Derek strich mit seinen Fingern in mein Haar, seine Hand hielt meine Wange und er lächelte. Er strahlte förmlich, fast wie der Morgenstern. Er hob die Hand und ich folgte ihm mit den Augen. Marvin lag reglos am Boden.
» Du hast ihn niedergeschlagen. «
» Ja, Baby. «
» Ich bin nicht das … «
Er packte Marvin am Handgelenk und schob die andere Hand an meinen Hinterkopf – dort wo das Haar heiß und klebrig war. Marvin zuckte zusammen.
Ich sah wieder klar.
» Sag mir, was du bist « , flüsterte ich und riss vor Furcht die Augen weit auf. Mit einem Werwolf kam ich klar. Aber das …
Er presste seinen Mund auf meinen und die Angst strömte aus mir heraus, floss wie Gift in ihn hinein.
Er lachte. » Nicht wie Gift « , und beugte sich zum nächsten Kuss vor. Und dann verschwand er auch. Wie vom Boden verschluckt.
Ich hörte ein Knurren, gegen das Marvins Ausbruch wie eine billige Imitation wirkte.
Pietr.
» Hey, Mann « , grinste Derek. » Man kann nicht behaupten, dass sie sich dagegen wehrt … «
Ich sah mit einem Mal scharf. Derek hielt die Hände in die Höhe.
Pietr ballte die Fäuste. » Sie wusste nicht, was du bist « , fauchte er und bleckte die Zähne.
» Ach du liebe Güte! « Derek lachte. » Du hast es ihr gar nicht erzählt! «
In Pietrs Augen flackerte etwas auf. Etwas Gefährliches, leuchtend Rotes. Blutrünstiges.
» Du lässt zu, dass ich sie anfasse – überall, weißt du … « Er grinste anzüglich. » Du kannst sie unmöglich die ganze Zeit beschützen und dann erzählst du es ihr nicht einmal? Deiner eigenen Freundin? « Er schüttelte den Kopf. » Du dummer Versager. Glaubst du etwa, Menschen lassen sich mit Geheimnissen schützen? «
Pietr heulte auf und aus den Klassenzimmern kamen die Schüler geströmt.
» Oh. Augenzeugen. « Derek grinste.
Pietr erschrak. Seine Möglichkeiten waren mit einem Mal stark eingeschränkt.
» Taten waren mir schon immer lieber als Worte « , zischte Derek und kniff die Augen zusammen. Sein Haar schimmerte im fahlen Flurlicht wie ein entsetzlicher Heiligenschein. » Wollen mal sehen, was Miss Enthüllungsjournalistin nach der Vorstellung so meint, was? « Er wandte sich an die Menge und rief: » Kampf, Kampf, Kampf! « und stieß im Takt mit der Faust in die Luft.
Sofort griff die Menge den Ruf auf, ein wilder Mob, der an einem verhangenen Herbsttag nach Aufregung gierte und immer lauter brüllte, bis der Ruf ohrenbetäubend erschallte. Die Lehrer mühten sich, die Schüler in die Klassenzimmer zurückzubekommen, drangen aber nicht durch und konnten die Meute nicht auseinandertreiben. Ganz Junction High wollte offenbar den Kampf zwischen dem Football-Star und dem neuen Typen sehen.
Ich wusste, wozu Pietr fähig war. Derek hätte eigentlich leichte Beute für ihn sein müssen. Aber als er sich von der johlenden Menge abwandte und zu Pietr umdrehte, da bezweifelte ich plötzlich, dass mein Freund, der Werwolf, mit ihm fertigwerden konnte. Etwas an Derek hatte sich verändert. Er wirkte dunkler, kräftiger. Es war, als sei er gewachsen. Größer. Breiter. Bösartiger.
Sie waren ebenbürtige Gegner.
Mir wurde ganz flau im Magen, als er sich mit voller Wucht auf Pietr stürzte.
Der Aufprall presste die Luft aus Pietrs Lungen, und er schien überrascht, als er von den Beinen gefegt wurde und nach hinten flog.
Die Menge brüllte.
Sie krachten hart auf den Boden und unter Pietrs Rücken knackten die Fliesen wie dünnes Eis. Die Meute schrie » Ja! « und rückte vor. Ich schrie für die Gegenseite.
Pietr zog die Beine an, aber
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