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Die Narrenburg

Die Narrenburg

Titel: Die Narrenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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schneeweißen Thrine ohne allen Grund um den Hals fiel, und endlich, daß die Stadtleute erst nach Hause fuhren, da schon alle Sterne am Himmel standen. Gleich darauf, da schon auch alle Lichter der grünen Fichtau ausgelöscht waren, trat der Mond heimlich über den Berg herüber, und schaute in den Garten, ob er wieder das süße, flüsternde, verstohlene Glück erblicke, wie gestern - allein es war nicht da; Gebüsch und Garten standen leer, und die ganze Nacht erblickte er nichts anderes, als die glänzenden Lichttropfen der Gräser, und das silberne Rieseln der Wasser.
    Dem bewegten Sonntage folgte die arbeitsvolle Schleppe der Woche: Simon und der Schecke fuhren landaus, landein, die Sägemühle kreischte, die Schmiede tosete; Erasmus handirte und wirthschaftete, Anna ging hier und dort, oder stand und dichtete. Freilich hielt sie treu ihr Wort in Hinsicht des freundlichen Anschauens, aber auch in Hinsicht der Weigerung, je wieder mit Heinrich allein beisammen zu sein. Er sah sie nur von ferne, er sah sie gehen und kommen, oder ihr liebes Kleid sanft schimmern zwischen den Büschen des Gartens.
    So verging die Zeit. Der Flachs blühte im Asang draußen immer blauer und blauer, die Tage wurden einer schöner als der andere, und so kam endlich auch wieder der Samstag, und mit ihm der Schecke, und Simon, und auch der Brief von Robert. Nachdem ihn der Wanderer gelesen, zahlte er an Vater Erasmus die Wochenrechnung, sagte, daß er heute nicht die Knechte aus den Gebirgen, die Jäger und andere Samstagsgäste der grünen Fichtau abwarten könne, sondern, daß er noch heute nach Priglitz gehen, und bei Robert übernachten wolle - etwa nach ein paar Tagen komme er wieder zurück; seine Sachen sollen indeß auf seinem Zimmer verschlossen bleiben.
    Und somit war dieß unser letzter Blick in die Fichtau. Heinrich ging erst spät Abends fort, und wie er der Steinwand entlang ging und um sie herumbog, so versank hinter ihm und auch hinter uns die ganze liebe grüne Fichtau mit allen ihren bereits angezündeten Lichtern, mit ihren fröhlichen Samstagsgästen, und dem abendlichen Klingen der Zittern. Nur die rauschende Pernitz ging mit ihm, und erzählte und plauderte ihm in der Finsterniß vor, bis sie Beide hinauskamen in das breitere Thal und an die Mauern von Priglitz.
    Des andern Tages war wieder ein Sonntag, der nächste seit jenem, wo wir die Gesellschaft auf ihrer Kirchenfahrt begleitet hatten; aber heute finden wir die zwei Freunde, Robert und Heinrich, allein, wie sie, ehe noch die Strahlen des ganz heitern Tages heiß zu werden begannen, den verhängnißvollen Berg zu dem Schlosse Rothenstein hinanstiegen. Den ebenen Weg hatten sie mit einem Wagen zurückgelegt. Am Fuße des Berges nahm sie eine Allee uralter dichtbehaarter Fichten auf, und leitete sie empor. Die laue Vormittagsluft seufzte schwermüthig in den Zweigen, und je höher sie kamen, wurde es immer einsamer, und das sonntägliche Schweigen der Fluren wurde immer noch tiefer und noch schweigender. Endlich gelangten sie zu einer grauen, von dichten Fichtenzweigen gestreichelten eisenglatten Mauer von ungewöhnlicher Höhe. Dem Fahrwege der Allee gegenüber stand der weiße Fleck des zugemauerten Thores, und darüber starrten mißstimmige Trümmer eines Wappens.
    Robert duckte sich unter das zwischen den Fichtenstämmen wuchernde Haselgesträuch, ging etwas neben der Mauer fort, und dann drückte er gegen einen hervorstehenden eisernen Knopf, worauf im Innern eine grelle Glockenstimme antwortete. Allein, nachdem die unaufhörlich wackelnden Töne des Metalles geendet hatten, war es wieder stille, wie zuvor, nur daß sich in der beginnenden Tageswärme ein vielstimmiges Grillenzirpen auf dem Berge erhob.
    Vergeblich rief Robert: »He, Holla!
ich
bin es, der Sindikus, den du einzulassen versprochen.« Es erfolgte keine Antwort. Nur sah Heinrich, da er zufällig emporblickte, am Mauerrande ein Haupt: Gesicht und Haare so grau, wie daneben die uralte Steinmetzarbeit, und die Augen starr auf die beiden Männer geheftet. Nach einer Weile verschwand es, und kurz darauf hörte man ein seltsames Aechzen und Knarren in der Mauer, und zum Erstaunen des Wanderers schob sich ein Stück derselben gleichsam ineinander, und es wurde die dunkle Mündung eines Pförtchens sichtbar, darinnen, wie in einem Rahmen eine große Gestalt stand, dieselben steingrauen Gesichtszüge tragend, die Heinrich auf der Mauer gesehen hatte, nur ein Lächeln war jetzt auf ihnen, so seltsam,

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