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Die Narrenburg

Die Narrenburg

Titel: Die Narrenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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wie wenn im Spätherbste ein einsamer Lichtstrahl über Felsen gleitet. - »Geht nur gleich in den grünen Saal,« sagte die Gestalt.
    »Sei gegrüßt, Rupprecht,« sagte Robert, »zeig uns den grünen Saal, und Alles andere auch, wenn es dir genehm ist.«
    Ohne alle Antwort wich der Mann zurück. Sie traten ein, und in demselben Augenblicke ging ein fürchterlicher, ein zärtlich gewaltiger Ton über ihren Häuptern durch die Luft.
    »Es ist nur die Geige des Prokopus,« sagte der alte Mann, »schreitet herein, Erlaucht, in die Stadt des alten Geschlechtes.«
    Bei diesen Worten verbeugte er sich gegen Stellen, wo Niemand stand -; und dann richtete er den Mechanismus der Mauer. Es hob wie eine ablaufende Thurmuhr zu schnarren an, schwenkte herum, und schloß sich, so daß der Ort kaum zu erkennen war, durch den sie hereingekommen.
    Die Freunde standen aber nun innerhalb der Mauer nicht etwa auf einem Schloßplatze oder dergleichen, sondern wieder im Freien, und vor ihnen stieg der Berg sachte weiter hinan, nur war seiner Senkung ein breites, weites räthselhaftes Vieleck abgewonnen, auf dem sie sich eben befanden; es war mit Quadersteinen gepflastert, aber aus den Fugen trieb üppiges Gras hervor, und die heiße Sommersonne schien darauf nieder. Mitten auf dem Platze lagen zwei schwarze Sphinxe, mit den ungeheuren steinernen Augenkugeln glotzend, und zwischen sich das ausgetrocknete Becken eines Springbrunnens hütend, aber aus dem aufwärtszeigenden Stifte sprang kein Wasser mehr; der Wind hatte das Becken halb mit feinem Sande angefüllt; aus den Randsimsen quollen Halme und dürre Blümchen; und um die Busen der Sphinxe liefen glänzende Eidechsen.
    Weiter hinter dieser Gruppe stand ein Obelisk, jedoch seine Spitze lag ihm zu Füßen.
    »Der Graf Johannes ist schon vor dreihundert oder vierhundert Jahren gestorben,« sagte Rupprecht.
    Seitwärts diesem Platze sahen die Freunde ein kleines Häuschen stehen, wahrscheinlich die Wohnung des Pförtners; von dem eigentlichen Schlosse aber war nichts zu erblicken, als graues Dachwerk, über das Grün des Berges hineinschauend, und von kreisenden Mauerschwalben umflogen. Sie stiegen sofort den verwahrlos'ten ausgewaschenen Weg hinan. Hie und da war auf der Abdachung des Berges ein Geschlecht zerstreuten Mauerwerkes und grünen Wuchergebüsches, worunter ganze Wuchten des verwilderten Weinstockes, der seiner Zucht entronnen, sich längs des Bodens hinwarf, und sein junges frühlingsgrünes Blatt gegen das uralte Roth der Marmorblöcke legte, die hie und da hervorstanden. Mancher kreischende Vogel schwang sich aus dieser grünen Wirrniß empor, wie die Freunde weiter schritten, und verschwand im lächelnden Blau des Himmels.
    Auf dem ganzen Wege erblickten sie kein einziges menschliches Wesen. Die Seite des Berges, auf der sie stiegen, schien ein verkommender Park zu sein. Es hüpften Hasen empor, und flohen seitwärts, alle Arten von Schmetterlingen und Insekten flogen und summten, und eine Lindengruppe, an der die Freunde vorüberkamen, hing voll wimmelnder Bienen. Aber nirgends war ein Mensch. Als sie auf der Hälfte des Weges waren, kam ihnen ein Hund nach, ein Bulle der größten Art, und ging ruhig hinter Ruprecht her.
    »Wir haben alle Dinge bewacht,« sagte der alte Mann, »und der Hund ist mir sehr beigestanden, weil sie ihn fürchten weit und breit. Im Sixtusbaue, wo die Nonnenzellen sind, fließt alles von Honig; denn ich nahm ihnen nie einen, und der Wein muß in seiner eigenen Haut liegen. Ich habe dem Gerichte, da es alles anschauen wollte, den Weg nicht gezeigt, der von der Nonnenclausur hinabführt, darum wissen sie von dem Weine nichts. Gehet aber in den grünen Saal, Erlaucht, da werdet ihr sehen, wie gut der Mann conterfeit hat.«
    Heinrich sah verwundert auf Robert, dieser aber sagte: »Du hast wieder einen deiner bösesten Tage, altes Rüstzeug.« Dabei heftete er die Augen auf den Mann.
    Dieser aber schwieg augenblicklich, sah den Syndikus betroffen an, und durch die versteinerten Züge ging ein feines Erröthen, wie wenn er sich schämte. Fortan schwieg er.
    Man hatte endlich die Kante des Berges erreicht, und Heinrich sah nun, wie erst eigentlich gegen die andere Seite hinab in einem sanftgeschwungenen Thale die Sammlung der Bauwerke lag. Es war Alles viel großartiger, weiter, und auch verworrener, als er gedacht hatte. Ein ganzes Geschlecht mußte durch Jahrhunderte hindurch auf diesem Berge gehauset, gegraben und gebaut haben. Abgesonderte

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