Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Narrenburg

Die Narrenburg

Titel: Die Narrenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
stehen und sinnen möchte.
    Nachdenklich blieb er vor seinen Pflanzen und Steinen stille stehen, und dachte: »O du süßes, unerforschtes Mährchen der Natur, wie habe ich dich immer und so lange in Steinen und Blumen gesucht, und zuletzt in einem Menschenherzen gefunden! O du schönes, dunkles, unbewußtes Herz, wie will ich dich lieben! Und ihr Blüthen dieses Herzens, ihr unschuldigen, beschämten, hülflosen Blicke, mit welcher Freude drück' ich euch in meine Seele!«
    So dachte er oben; unten aber rief die Stimme des wieder auf die Gasse gekommenen Vaters: »Ei, da hast du ja einen gewaltigen Pack von Blumen und Kraut aus dem Garten geplündert, und trägst dich damit, wie unser Pflanzenmann, wenn er das Gras von unsern Bergen schleppt.«
    Der Wanderer trat ans Fenster.
    »Es ist nur, Vater,« sagte Anna, »weil ich Thrinen einen recht vollen Strauß mit in die Stadt bringen will, weil, sie in dem großen, widerwärtigen steinernen Hause keine Blumen haben. Und wie man sie in einen Strauß ordnet, daß es schön sei, habe ich von unserm Gaste gelernt, der mehr von Blumen versteht, als wir alle zusammen im ganzen Fichtauer Thale. Es ist auch ein wunderbares Leben in ihnen, hat er gesagt, und ich glaube es - und gewiß haben sie noch recht liebe, kleine Seelen dazu. Er weiß schon, warum er sich so mit ihnen abgibt.«
    »Ja, ja, ja, ja, Leben und Seelen und Katzen,« erwiederte der Wirth, »sieh nur zu, daß du einmal mit deinem Kirchenanzuge fertig wirst; pünktlich nach einer halben Stunde wird abgefahren.«
    Anna ging ins Haus, und nur dem feinen Ohre Heinrichs war ihr leichter Tritt auf der Treppe vernehmlich, wie sie die Blumen auf ihr Zimmer trug.
    Nach einer halben Stunde waren wirklich, wie vorausgesagt, die schlanken glänzenden Füchse des Fichtauer Wirthes jeder an seinen Wagen gespannt, aber auch die Weiber, wie voraus zu sehen, nicht fertig. Erasmus ging in einem feinen, fast städtischen Sonntagsrocke unruhig hin und her. Boten-Simon hatte nach einem riesenlangen Stocke gegriffen, um seine Kirchenwanderung zu beginnen; denn der Schecke mußte an Sonntagen die herkömmliche Ruhe haben. Auch andere Wagen warteten noch ein wenig, um sich dem Zuge anzuschließen. Der Schmied saß im lächerlichen Putze da, und hatte eine flammend rothe Decke auf den Wagensitz gebreitet, und auf das Geschirre des Pferdes gesteckt, um den Stadtschreiber würdig zu empfangen. Auch der Wanderer stand schon in seinem schönen Gewande da, daß er ordentlich, wie der vernünftigste Mensch aussah - - siehe, da erschien endlich auch Anna und die Mutter auf der Gartentreppe herabschreitend.
    Die Mutter, eine sehr schöne Frau mittlerer Jahre, mit Gesichtszügen, deren Ausdruck weit über ihrem Stande zu sein schien, war in dem gewöhnlichen Sonntagsanzuge der wohlhabenden Gebirgsbewohner, obwohl Alles an ihr von besserem Stoffe und feinerem Schnitte war; denn Erasmus liebte es, die Früchte seiner guten Wirthschaft an den Seinigen zu zeigen. Anna war gekleidet, wie die Mädchen des Thales, aber wie man sie so über die Gasse sittsam dem Wagen zuschreiten sah, so hätte man geschworen, sie sei aus einem ganz anderen Lande, und trage einen Anzug, den sie sich erfunden, weil sie in demselben am schönsten sei. Ohnedieß sind die Fichtauer Trachten die malerischsten im ganzen Gebirge. Da sie an Heinrich vorüberkam, überzog ein feines tiefes Roth ihre Wangen, und ihres Versprechens eingedenk richtete sie ihre schönen Augen voll treuherziger Liebe auf ihn, so daß Jeder, nur ihr Vater nicht, hätte erkennen müssen, was hier walte, wenn sie überhaupt Augen dafür gehabt hätten.
    Der Naturforscher nöthigte aus Gutherzigkeit den Boten--Simon zu sich auf den Wagen, welcher aber nur sehr zögernd und mißtrauisch folgte und sichtbar mit dem Plane umging, sich der Zügel zu bemächtigen, sobald sich irgend etwas Verdächtiges ereigne - aber zum Erstaunen des Wirthes und der Andern fuhr der Wanderer vor ihren Augen so geschickt von der Gasse weg, und so rasch der Steinwand entlang, daß dem Vater Erasmus das Herz im Leibe lachte, wie er seinen Fuchs so taktsicher dahin tanzen sah, und daß er ordentlich eine Hochachtung für seinen Gast zu fassen begann. Zunächst folgte er selber mit Annen und der Mutter, dann der Schmied und dann die Andern.
    Als man den langen schmalen romantischen Gebirgsweg neben der Pernitz zurückgelegt hatte, und eben um den letzten Hügelkamm der Fichtau herumbog, wo dem Reisenden plötzlich ein breites Thal,

Weitere Kostenlose Bücher