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Die Narrenburg

Die Narrenburg

Titel: Die Narrenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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bewundernswertheste Zweckmäßigkeit. Er wurde immer vergnügter und da er die wirklich erstaunliche Reihe von Fässern gezeigt hatte, näherte er sich vertraulich dem Ohre Heinrichs, und sagte heimlich: »Das ist der neue Syndikus der schwarzen Stadt; sagt ihm kein Wort von dem vielen mächtigen Weine; denn sie versiegeln Alles, bis Graf Christoph kommt: aber der kommt nicht mehr, und ist todt, und im Mohrenlande begraben - auch Steuer und Abgaben gehen immer ein, und werden im Rathhause der schwarzen Stadt aufgehoben. Geht nur gleich, wie ich schon gesagt, in die grüne Stube, wo sie schon Alle warten.«
    »Wird aber nicht Pia Schaden nehmen, wenn wir so lange wegbleiben,« sagte Heinrich versuchsweise.
    »Wer!?« entgegnete der Alte mit allen Zeichen des höchsten Erstaunens, indem er seinem jungen Begleiter mit der Laterne ins Gesicht leuchtete. Sein Geist hatte in Jahren geschwebt, wo Pia nicht war, und der Geier, der an seinem Gehirne fraß, das Mißtrauen an sich selbst, stand auf, und schlug ihm die düstern Flügel um das Haupt. Er ging hastig und verstummt den Gang zurück, löschte das Licht aus, verbarg mit größtem Scharfsinne die Laterne, führte Heinrich in tiefster Dunkelheit wieder Trepp auf Trepp ab, Gang aus Gang ein, und sie standen endlich plötzlich bei Robert, der an einem Fenster ihrer geharrt hatte. Ruprecht war jetzt wieder ohne ein einziges Wort. Er schritt über einen Vorsaal, schloß auf, und öffnete sich anstemmend die eingerosteten Thürflügel zu den Gemächern. Eine Reihe von Zimmern empfing sie mit schwerer verblichener Pracht; alterthümliche, geschnitzte Geräthe, wunderliche Tapeten, theils noch ganz, theils durch Moder und eigene Schwere zerrissen, Zeltbetten, Putztische, Sesselreihen, Alles von altväterischem Prunke, kunstreich, und doch fest gearbeitet, - Alles bedeckt mit Massen von Staub und Spinnenweben, und ein trübes Licht fiel durch die blinden Scheiben von dem einsamen, funkelnden Tage draußen herein.
    Mit den schwermüthigen Gefühlen menschlicher Nichtigkeit und Vergänglichkeit wandelten die Freunde durch diese Stätten versunkenen Glückes und Elendes, und Heinrichs Herz war tief und ahnungsvoll erregt. Er mußte sich einige Male die Hand über seine Augen legen, um sich zu sagen, wo er sei, und um dem Andern sein Inneres zu verbergen.
    So hatten sie mehrere Zimmerreihen durchwandelt, einst zu dem verschiedensten Gebrauche bestimmt, von der Oede des Prunksaales an bis zur Heimlichkeit des einstigen Schlafgemaches. Der Alte war ohne viele Theilnahme hinter ihnen gewandelt, aber da die Zimmer zu Ende waren, und sie wieder in einen Vorsaal gelangten, bog er plötzlich um eine Ecke, riß mit sichtlicher Hast und Freude zwei riesengroße Flügel auf - und ein zauberischer Anblick schlug den Freunden entgegen: es war der grüne Saal; mit dem feinsten dunkelsten Serpentine waren die Wände bekleidet, riesengroße Fenster von unten gegen oben zum Theile mit grauer Seide gedeckt, rissen sich gegen den glänzenden Himmel auf, und ihr Glas war glatt und spiegelhaft, als hätte man es in diesem Augenblicke gesetzt - der Grund aber war, weil es der Alte immer putzte. - - Und in der Lichtflut dieser Fenster stand, in die dunkle Ebene des Serpentins gerahmt, eine ganze Reihe der herrlichsten Bilder: es waren sämmtliche Scharnast, Männer, Frauen und Kinder, von Haupt- und Seitenlinien - und wie der erste Blick zeigte, von den besten Meistern gemalt. Man sah selbst Rubens und Van--Dyks Pinsel, die besten Deutschen, und sogar den Spanier Murillo. Heinrich war erstaunt, ja er war betäubt über diese Herrlichkeit. - Da funkelte die Sonne in wundervollem Schmelze auf jener Rüstung, jenem Goldgehänge, jenen Vasen und Geschirren schwer und massenhaft, als müßte ihre Wucht von dem Bilde niederbrechen, - auf dem weichen Goldhaare der Frauen, auf jenem Antlitze, in dem lieblichen Auge, auf dem Munde, der eben nur gesprochen haben muß, auf der Hand, die auf dem Marmortische ruhte, oder den schweren Sammt emporhielt - auf den Gesichtern der Männer, über die, obwohl in tausend Gedanken und Leidenschaften zersplittert, doch dieselbe Familienähnlichkeit hinlief, - Alles glänzte und funkelte da, von der furchtbaren Körnigkeit jener Menschen in Stahl und Eisen angefangen bis zu der Pedanterie und Weichheit derer, die in Tressen und im schwarzen Fracke sind.
    Robert, der auch den Saal noch nicht gesehen hatte, war eben so bezaubert, wie Heinrich; - Ruprecht im Uebermaße der

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