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Die Naschmarkt-Morde

Titel: Die Naschmarkt-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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eine halbe Stunde zugedeckt gekocht hatte, wurde die Suppe durch ein Sieb passiert. Abschließend rührte Aurelia Litzelsberger einen Eidotter hinein und salzte die nun fertige Suppe kräftig. Parallel dazu kochte Mizzi die Erdäpfel, schälte sie ab und ließ sie erkalten. Außerdem kochte sie Eier, die sie ebenfalls abschälte und auskühlen ließ. Eine weitere Kasserolle wurde gut mit Butter ausgeschmiert und reihenweise mit den feinblättrig geschnittenen, etwas gesalzenen Erdäpfeln und Eischeiben belegt. Darunter mengten die Köchin und ihre Helferin kleine Stücke eines gewässerten, geputzten Herings.
    Danach verquirlte Mizzi einen Viertelliter Sauerrahm 13 mit zwei Eiern und goss diese Sauce über die Erdäpfel; das Ganze wurde nun eine halbe Stunde im Rohr gebacken. Als mittags um halb eins der Hausherr heimkam, duftete es bereits im Gang vor der Haustür nach der Suppe und den gestürzten Erdäpfeln. Mit einem Seufzer der Zufriedenheit schloss Hofrat Schmerda die Tür zu seiner Wohnung auf und sah mit Freude einem köstlichen Mittagessen entgegen.
     

VI.
    Im Salettl 14 des Gasthauses Zur goldenen Glocke speiste der Baron von Schönthal-Schrattenbach zu Mittag. Dabei beobachtete er Goldblatt und Nechyba, die ebenfalls hier zu Mittag speisten und miteinander plauderten. Da er ein bisserl allein sein wollte und er die beiden Herren sowieso fast jeden Abend im Café Sperl traf, verblieb er auf seinem Beobachterposten im Hintergrund. In seiner niedergeschlagenen Stimmung – er hatte am Abend zuvor beim Kartenspiel eine horrende Summe Geld verloren – wäre er auch kein wirklich angenehmer Tischnachbar für die beiden anderen gewesen. Nach einem ausführlichen Mittagessen verließ er die Gastwirtschaft und ging, an der Prallgefülltheit seines Magens leidend, bedächtigen Schrittes die Kettenbrückengasse zur Rechten Wienzeile vor. Dort, in Sichtweite des Naschmarkts, befand sich eine Stadtbahnstation der Wientallinie. Er betrat das kaisergelbe Gebäude und löste bei der Fahrkartenverkaufsstelle ein Billett erster Klasse nach Hütteldorf und retour. Über glatte, flache Sandsteinstufen stieg er hinunter zu dem Stadtbahn-Perron. Nach einer längeren Wartezeit waren das immer näher kommende, metallische Quietschen, das die Stadtbahnräder auf den Schienen erzeugten, sowie das rhythmische Schnaufen der dampfbetriebenen Lokomotive zu hören. Funken und Ruß speiend, fuhr der Zug in die Station ein. Schönthal-Schrattenbach begab sich in ein unbesetztes Erste-Klasse-Abteil. Über die untere Wientallinie gelangte er bis zur Meidlinger Hauptstraße und von dort über die obere Wientallinie zur Endstation nach Hütteldorf-Hacking. Hier angekommen, verließ er das Bahnhofsgebäude und ging den schmalen Holzsteg, der über den Wienfluss führte, auf die Hackinger Seite des Flusses. Sein Weg führte ihn in die Auhofstraße, wo sich rechter Hand ein einstöckiger Einkehrgasthof mit Gastgarten befand. Dort wurde er von einem gleichaltrigen jungen Mann mit »Servus, mein lieber Aloysius!« begrüßt.
    Otto Weiningers bebrilltes Gesicht strahlte, seine schlanke Figur schnellte wie von einer Feder getrieben in die Höhe, und er stürmte auf den sich mit angemessener Würde bewegenden Baron zu. Schönthal-Schrattenbach lüftete den Hut, bot die Hand zum Gruß und sagte in freundlich legerem Tonfall: »Servus, Otto.«
    Jener nahm die dargebotene Hand, hielt sie fest und wollte den Neuankömmling zu sich an den Tisch ziehen. Dieser widersetzte sich jedoch und machte stattdessen den Vorschlag: »Weißt was? Trink aus und lass uns gehen. Ich brauch dringend ein bisserl Bewegung, weil das Mittagessen hat mich heut über die Maßen strapaziert.«
»Um Gottes willen! Hast am Ende gar was Verdorbenes gegessen?«
    »Geh, Blödsinn …! Es war einfach zu viel.«
    Nachdem Weininger bei dem Kellner, einem speckwestigen Individuum, gezahlt hatte, erklommen die beiden keuchend, schnaufend, hustend und dabei aufs Heftigste diskutierend den Himmelhof. Ihr Weg führte sie, nachdem sie die steile Aichbühelgasse und die Erzbischofgasse hinter sich gelassen hatten, entlang der Mauer des k. k. Thiergartens 15 und danach über Wiesen bergan.
    Der schwüle Frühsommertag und die körperliche Anstrengung regten die Transpiration stark an. Auf den Wiesen stand das Gras kniehoch. Es war durchsetzt von Unkräutern, die sich zwischen elegant wogenden Grashalmen in protzigem Dunkelgrün breitmachten. An den Übergängen zum Wald standen

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