Die Naschmarkt-Morde
träumst denn, Stani?«
»Ich träum nicht. Ich philosophier …«
»Was? Philosophieren tust du? Stani, wenn du so weitermachst, wirst noch im Gugelhupf 10 landen.«
»Geh, red keinen Blödsinn! Was weißt denn du schon vom Philosophieren?«
»Hast recht, davon versteh ich nix, aber von Mannsbildern, die so stumm und düster vor sich hinstieren, davon verstehe ich schon was. Weil, mein seliger Herr Vater hat auch so angefangen, und nachher ist er dann in den Gugelhupf kommen und dort elend zugrunde gegangen.«
»Mach dir keine Sorgen, Mizzi, ich bin nicht von Sinnen. Übrigens könntest du mir einen Gefallen tun …«
»Jetzt auf der Stelle?«
»Jetzt auf der Stelle. Ich müsste nämlich ein Brieferl schreiben. Und da das Schreiben nicht unbedingt meine Stärke ist, könntest mir dabei helfen. Dafür zieht dir der Toni ein Gratis-Horoskop.«
»Horrrroskoppp, Toni, Horrrroskoppp!«, krächzte der Papagei und nickte bestätigend mit dem Kopf.
»Eigentlich muss ich zurück zur Köchin, weil die auf die Einkäufe wartet. Aber von mir aus … Hast du was zum Schreiben?«
Stani zog aus seinem Kisterl ein Stück Papier und einen Bleistift. Beides gab er der Mizzi. Er klappte den Deckel zu, sodass sie darauf schreiben konnte.
›Hochverehrte Gräfin, liebe Minerl!
Wenn Du glaubst, daß Du unsere Rendezvous nicht einhalten brauchst, hast Du Dich getäuscht. Weil, dann werde ich Dir einen Riesenskandal machen, auf daß Dir fürderhin solche Eskapaden vergehen.
In Liebe
Dein Stani
Postskriptum :
Ich erwarte Dich heute Abend pünktlich zur selben Zeit wie gestern am selben Ort. Wenn Du nicht kommst, siehe oben.
Mit hochrotem Kopf und zitternder Hand verfasste die Mizzi den Brief, den der Stani ungelenk unterschrieb.
»So, Mizzi. Jetzt haben wir das. Sei so gut und bring das Brieferl zur Gräfin Hainisch-Hinterberg in die Fichtegasse Nummero 8. Du musst bei Schönthal-Schrattenbach läuten, weil dort wohnt sie. Aber gib ihr das Brieferl unbedingt persönlich. Das geht nur sie und mich was an.«
Und bevor die Mizzi noch was sagen konnte, hatte er seinen Horoskop-Bauchladen aufgeklappt, aus dem der Toni flink ein Horoskop zog. Außerdem gab Gotthelf ihr fünf Heller, die sie blitzschnell in der Tasche ihres Rocks verschwinden ließ.
»Ist gut, Stani. Danke schön, Stani …«, war alles, was ihr einfiel, bevor sie davoneilte. Er lehnte sich entspannt in die Mauernische zurück, schaute ihr zufrieden grinsend nach und war mit sich und der Welt wieder im Reinen.
V.
Platschbummpeng!
Links eine Ohrfeige, rechts eine Verkehrte, links eine weitere Ohrfeige. So wurde Mizzi von der Köchin Aurelia Litzelsberger empfangen, als sie endlich mit den Einkäufen zurückkam. Vor Schreck hätte Mizzi fast den Einkaufskorb fallen lassen, doch die Köchin schnappte den Henkel mit hartem Griff, während sie das Dienstmädchen ohrfeigte.
»Wo hast du dich herumgetrieben, du faules Luder? Glaubst du, ich schick dich zum Vergnügen einkaufen? Schau, dass du in die Küche kommst und dass das Wurzelwerk auf eins, zwei, drei geputzt und geschnitten ist!«
Mizzi zog sich mit gesenktem Kopf und geröteten Backen, leise vor sich hinheulend, in den letzten Winkel der Küche zurück. Dort nahm sie ein Schneidbrett und ein scharfes Putzmesser zur Hand. Die Köchin schmiss ihr das Wurzelwerk sowie eine mittelgroße Zwiebel auf das Schneidbrett, und sie begann, den Rotz lautstark durch die Nase aufziehend, mit dem Putzen des Gemüses.
»Du bist doch der blödeste Trampel 11 von irgendwo! Wie oft hab ich dir schon gesagt, dass du das Gemüse vor dem Putzen waschen sollst?«
Wortlos stand Mizzi auf, ging mit dem Gemüse zur Abwasch und schrubbte es dort unter dem kalten Wasserstrahl.
»Mein Gott, Mizzi! Wo hast du nur deine Gedanken? Komm, reiß dich ein bisserl zusammen, damit wir pünktlich um halb eins mit dem Essen fertig sind.«
Da das Dienstmädchen flinke Finger hatte, war das Wurzelwerk binnen fünf Minuten kochfertig. Die Litzelsbergerin lobte sie und ließ sie in einer Kasserolle Butter erhitzen, gab ihr die fein geschnittene Zwiebel, die Petersilie, halbfingerlange Stücke Sellerie und Gelbe Rüben und kommandierte: »Hinein ins Fett!«
Das Gemüse wurde goldgelb angeröstet, dann kamen Pfefferkörner, Neugewürz und eine Gewürznelke hinzu. Hierauf rührte die Köchin etwas Mehl ein, goss mit kaltem Wasser auf und gab abschließend die würfelig geschnittenen Erdäpfeln 12 dazu. Nachdem das Ganze
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