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Die Naschmarkt-Morde

Titel: Die Naschmarkt-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Mageninhalt unbedingt loswerden.
     
    Als der Redakteur in heldenhaftem Kampf zuerst das Licht in seinem Schädel nicht verlöschen ließ und dann unter heftigem Keuchen, Schlucken und Würgen den Austritt des Mageninhalts verhindert hatte, überkam ihn eine weitere Regung: ein Harndrang von sintflutartiger Vehemenz. Stolpernd schlüpfte er in seine Hausschuhe, schlurfte, verzweifelt seinen seidenen Morgenmantel suchend, kreuz und quer durchs Zimmer, fand ihn schließlich unterm Bett, schlüpfte hinein, verhedderte sich im Ärmel, stellte fest, dass seine Blase bereits den einen oder anderen Tropfen nicht mehr halten konnte, wand sich den Morgenmantel wie eine Toga um den Leib, hastete durchs Vorzimmer, stolperte über die Aktentasche, riss die Wohnungstür auf, hatte die Schreckensvision vor Augen, dass seine Nachbarin gerade eine Endlossitzung auf dem gemeinsamen Wasserclosett abhielt, riss die WC-Tür auf, warf sie hinter sich zu, hob die Toga und schrie: »Wasser marsch!«
    Dieser morgendlichen Verrichtung folgte eine explosionsartige Darmentleerung, die ihn unendlich erleichterte und nach der er sich innerlich gereinigt fühlte.
     
    Als er seine Wohnungstür leise und behutsam hinter sich schließen wollte, erschien das Mondgesicht der fetten Endlweber im enger werdenden Türspalt.
    »Herr Goldblum, was haben Sie denn da am Klo geschrien? Ich bin so erschrocken, dass mir fast das Küchengeschirr aus der Hand gefallen ist.«
    Leo Goldblatt atmete tief durch und erwiderte leise: »Goldblatt, gnädige Frau, Goldblatt.«
    »Also ich hätte schwören können, dass Sie ›Wasser marsch‹ gebrüllt haben, Herr Goldblum …«
    »Das hab ich auch«, erwiderte Goldblatt, »aber deswegen brauchen Sie mich nicht zu goldblumen! Und im Übrigen hab ich im Stehen gebrunzt, mit einer Streuung, dass jetzt das ganze Klo schwimmt. Wünsche einen guten Morgen.«
    Damit schlug er ihr die Wohnungstür vor der Nase zu und wankte zurück zum Bett, in das er sich plumpsend fallen ließ. Während der nächsten Stunde hörte die Welt keinen Laut von Leo Goldblatt.
     
    Ein höllischer Durst weckte ihn. Er stand auf, ging ins Vorzimmer und schenkte sich aus einem Krug ein Glas Wasser ein, stürzte es hinunter, rülpste laut und fühlte sich danach wohler. Er frequentierte nochmals das WC, holte sich mit dem Wasserkrug eiskaltes Wasser von der Bassena 9 und wusch sich Kopf und Oberkörper. Das regte seinen Kreislauf auf das Angenehmste an. Daraufhin kleidete er sich an und begab sich mit leicht schwankendem Schritt in das nahe gelegene Gasthaus Zur goldenen Glocke, um dort ein Gulasch als spätes Frühstück zu essen.

IV.
    Ein kräftiger Wind blies an diesem Vormittag über den Naschmarkt. Riesige Wolkenverbände, teilweise in bedrohliches Schwarz gehüllt, jagten über den Himmel. Der Wind trieb mit den Standlern und Fratschlerinnen des Naschmarktes böse Spielchen. Er fuhr mit Vehemenz unter einen Schirm, der den Stand einer Gemüsefrau überdachte, hob ihn kurz empor und drehte ihn kopfüber, sodass er den Stand nebenan verwüstete. Er warf Körbe mit Obst um, sodass dieses wie Riesenmurmeln in alle Richtungen davonrollte. Die Röcke der Frauen wurden emporgerissen, Unterröcke und bestrumpfte Beine neugierigen Blicken preisgegeben.
    Gotthelf hatte ebenfalls seine liebe Not mit dem Wind, da dieser seine Horoskop-Zettel und den Papagei ganz schön zerzauste. Schließlich fand er ein windgeschütztes Eck am Beginn der neuen, gemauerten Naschmarktstände. Als er dort herumlungerte und die Strahlen der Sonne genoss, die zwischendurch immer wieder kräftige Lebenszeichen von sich gab, ging ihm sein Verhältnis mit der Gräfin durch den Kopf. Irgendwo war es für ihn so unglaublich und absurd und andererseits doch so real, dass ihm ganz komisch im Kopf wurde. Noch seltsamer wurde ihm aber aufgrund der Tatsache, dass ihn die Gräfin gestern Abend versetzt hatte. Ob ihr am Ende gar etwas zugestoßen war? Schließlich war die Naschmarktgegend nächtens nicht ganz koscher. Allerdings, wenn ihr was passiert wäre, hätte er das sicher schon erfahren. Also war ihr nix passiert. Das hieß, dass sie einfach nicht kommen wollte. Das kränkte den Stani. Was dachte die sich eigentlich, die Minerl? Nur weil sie eine Hochwohlgeborene war, konnte sie mit ihm solche Sachen machen? Wenn einer nicht daherkam, dann immer noch er: Stanislaus Gotthelf.
    Ein Zupfen am linken Ärmel riss ihn aus seinen Gedanken, und die Pichlmayr Mizzi fragte ihn: »Wovon

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